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Wer wir sind

Wer wir sind

Titel: Wer wir sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Friedrich
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einen Tag in Kauern, als sie miteinander Gemüsesuppe gekocht haben. Sie sieht Helmuth am Herd stehen, Peter mit einem Petersilienbüschel aus dem Garten ins Haus treten. Sie sieht die Yorcks hier auf der Veranda des Berghauses beim Frühstück und Helmuth auf der Weinterrasse von Schloss Klein Oels. Sie erinnert sich an Peters Wärme, an sein rücksichtsvolles Entgegenkommen, wenn Marion in Kauern weilte und Freya erschöpft aus Ravensbrück in die Hortensienstraße zurückkehrte.
    Peter kochte ihr dann einen Tee oder holte eine seltene Flasche Wein aus dem Keller. Sie saßen entspannt beieinander, sie sprachen wie Geschwister über Alltagsereignisse. Nichts hat Peter ihr von den Attentatsvorbereitungen erzählt, nichts davon, in welcher Gefahr er sich befand und in welche Gefahr er Helmuth brachte. Nun ist Peter tot. Freya weint.
    Verräter gehängt
    Charlotte Schulenburg liest die Namen. Peter Graf Yorck von Wartenburg, Patenonkel ihres Sohnes Fritzi. Friedrich Karl Klausing, Patenonkel ihrer Tochter Adelheid. Aber derName Schulenburg steht nicht auf der Liste der Hingerichteten. Er steht ein paar Zeilen weiter unten.
    Ein weiterer Prozess ist für den 10. August anberaumt worden. Er richtet sich gegen Erich Fellgiebel, Berthold Schenk Graf von Stauffenberg, Alfred Kranzfelder, Georg Hansen und Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg.
    Der 10. August. Morgen.
    Und der Inspektor von Trebbow hat kein Bargeld.
    Charlotte von der Schulenburg wird sich nicht um ihren Hausarrest scheren. Sie ist entschlossen, nach Berlin zu fahren: Aber es ist überhaupt kein Bargeld auf dem Hof. Tisa hat Angst, dass dies den Eisenstab brüchig werden lässt, der ihre Schwägerin aufrecht hält.
    »Charlotte, wir fahren. Ja, wir fahren nach Berlin. Wir leihen uns einfach das Geld. Wir leihen uns Geld von Oldach. Vom Chef der Gestapo in Schwerin. Wir müssen ohnehin nach Schwerin fahren, uns bei Gauleiter Hildebrandt abmelden.«
    Marion hat von Peters Tod nicht aus der Zeitung erfahren. Früh um sieben hat die Frau eines hohen Staatsbeamten bei ihr angerufen, die Marion von früher kennt. Marion ist sofort losgelaufen, ohne irgendjemandem Bescheid zu sagen. Sie hat zuerst nicht gewusst, wohin sie auf dem Weg ist. Dann hat sie sich in der Hortensienstraße wiedergefunden, und das Ziel war klar: Sie ist zu Pfarrer Hanns Lilje gegangen.
    Er wohnt in der Hortensienstraße 34. Jeden Mittwoch hält er eine Andacht in der kleinen Kirche ein paar Häuser weiter, und heute ist Mittwoch, der 9. August.
    Pfarrer Lilje hat Peter nicht besonders gut gekannt.
    »Aber wir haben regelmäßig Ihre Andachten besucht. Wir haben bei Ihnen das Abendmahl gefeiert, ein paar Tage vor dem 20. Juli.«
    »Ja«, sagt der Pfarrer. »Ich erinnere mich.«
    »Sie erinnern sich! Wie schön ist das. Sie erinnern sich an meinen Mann.«
    Sie sitzen beieinander. Sie sprechen über Peter, sie denken an Peter.
    Mein Mann ist hingerichtet worden
    Ich konnte ihm die Briefe nicht geben
    Mit dem Herzen. Mit dem Herzen habe ich ihn begleitet
    Das ist wahr. Das hat er gewusst
    Aber kein Abschied. Ihn nie mehr zu sehen. Ihn nun einfach nie wieder zu sehen
    Und die Abschiedsbriefe. Er hat sie nicht gelesen. Er wird kein Grab haben und kein Begräbnis
    Sicher hatte Pfarrer Lilje für den heutigen Tag einen Predigttext vorbereitet. Aber als es schließlich Zeit für die Andacht ist, spricht er nicht über das Losungswort des heutigen, sondern über das des vergangenen Tages. Timotheus Kap. 4, Vers 7.
    Ich habe einen guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe Glauben gehalten.
    Pfarrer Lilje spricht für Peter Yorck. Keiner außer Marion weiß es. Marion steht ganz hinten in der Kapelle. Mit ihr gedenkt die Gemeinde der Gläubigen in Lichterfelde ihres Mannes, auch wenn keiner von ihnen weiß, für wen diese Andacht heute gehalten wird.
    Marion ist wieder auf dem Weg zurück in den Dol. Sie geht. Sie geht schon wieder. Sie hat das Gefühl, seit dem 20. Juli ununterbrochen gelaufen zu sein und noch viel weiter laufen zu müssen. Sie denkt an Peter, nur an ihn. Sie denkt nicht daran, wie sie ihn kennengelernt oder geheiratet hat. Sie denkt nicht einmal an sein Gesicht. Sie lehnt nur ihr ganzes Wesen zu ihmhin, wortlos, bildlos, Marion geht die Treppe zur Villa ihrer Schwägerin hinauf. Püzze kommt ihr entgegen, sehr blass und mit verweinten Augen.
    »Die Gestapo war da. Du sollst morgen früh in die Meinekestraße kommen. Was können sie denn nur von dir wollen? Du

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