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Wer wir sind

Wer wir sind

Titel: Wer wir sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Friedrich
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zugrunde gerichtet hätten.
    Zuerst haben sich katholische Laienbrüder wegen Verbrechen nach § 175 von Oswald Freisler verteidigen lassen. Und dann hat Oswald im Katholikenprozess 1937 für drei Mitangeklagte des Pfaffen Joseph Cornelius Rossaint Freisprüche erwirkt. Mit dem Goldenen Parteiabzeichen der NSDAP im Knopfloch hat Oswald Freisler Hochverräter verteidigt, katholische Hetzer übelster Sorte, die sich auch noch mit den Bolschewiken gemeingemacht hatten: Der Hauptangeklagte Rossaint hat ja versucht, eine Einheitsfront zwischen Katholiken und Kommunisten zu bilden, wofür er nicht etwa zum Tode, sondern unfassbarerweise lediglich zu elf Jahren Zuchthaus verurteilt worden ist.
    Für solche Leute ist Oswald Freisler eingetreten, vor den Schranken des Volksgerichtshofs. Man hat ihn natürlich sofort aus der Partei ausgeschlossen, und vor fünf Jahren hat er sich das Leben genommen, kurz nach seiner Verhaftung wegen angeblicher Verwicklungen in Devisengeschäfte. Für Roland Freisler kam das allerdings zu spät. Man hatte ihn bereits wegen seines Bruders zu Goebbels zitiert. Man hatte die Sache bereits vor den Führer gebracht. Oswald hat sich der Schande entzogen, aber an seinem Bruder haftet der Skandal, an ihm haftet der Schmutz, und täglich und stündlich muss Roland Freisler nun darum kämpfen, dass er sich über ihn erhebt.
    Das hat er auch heute getan.
    Es ist der Abend des 9. Januar 1945, und Roland Freisler schreitet seinem Büro im Gebäude des Volksgerichtshofs entgegen. Der erste Verhandlungstag im Prozess gegen Delp, Fugger, Gerstenmaier, Haubach, Moltke, Reisert, Sperr und Steltzer ist soeben zu Ende gegangen. Fast alle Angeklagtensind heute bereits vernommen worden. Haubach hat gegen Mittag wieder eine Gallenkolik bekommen wie schon mehrmals während der Haft. Freisler hat ihn wegbringen lassen und das Verfahren abgetrennt, ebenso das Verfahren Steltzers. Sperr, Reisert und Fugger sind kleine Fische, wie Freisler das schon vorher geahnt hat. Und Gerstenmaier ist ein Naivling.
    Das war vom ersten Moment an ganz offensichtlich. Gerstenmaier ist ein täppischer Schwabe, ein Pfaffe zwar, aber als Protestant den Machenschaften von Jesuiten in keiner Weise gewachsen. Allerdings ist er ein Querulant, ein lästiger und schädlicher Querulant. Am besten wird es sein, wenn man ihn eine Weile aus dem Verkehr zieht, schon um ihn vor sich selbst zu schützen. Man hätte ihn viel früher einsperren sollen, dann wäre er Leuten wie Moltke und Delp gar nicht erst ins Netz gegangen.
    Alfred Delp ist ein pfäffischer Narr. Er hat seinem Aberglauben nicht nur nicht abgeschworen, sondern in der Haft sogar noch vor einem seiner heiligen Männer die letzten Gelübde abgelegt. Bereits in den Händen der Justiz, hat er sich endgültig an den Jesuitenorden gefesselt. Wie dumm und verworfen kann man sein? Es ist wirklich zu schade, dass Delps Fall nicht in einem anderen Rahmen abzuhandeln war. Aber der große Jesuitenprozess, den Freisler so gern geführt hätte, ist leider nicht zustande gekommen.
    Freisler hatte ihn bereits vorbereitet. Er hatte die Argumentationslinie schon grob ausgearbeitet: die Katholiken als Feinde Deutschlands, die schlimmsten darunter die Jesuiten, sophistische Menschenfänger, morallose Heuchler, predigen Keuschheit und zeugen selbst uneheliche Kinder, schließlich Juan de Marianas Bejahung des Tyrannenmords. Roland Freisler hatte es alles studiert, er hätte sich glänzend produzieren können. Er hat sich schon donnern hören.
    Ein Tyrann? Wer ist denn ein Tyrann? Ein Tyrann ist ein Staatsoberhaupt, das so einem Tonsurenköpfchen nicht genehm ist. Und was tut es dann? Dann krabbelt es in die Kirche und bittet Gott, ihm bei seinen Mordplänen behilflich zu sein.
    Möglicherweise hätte man einen solchen Prozess gefilmt. Möglicherweise hätte man ihn sogar dem Führer vorgeführt, so wie die ersten Verhandlungen gegen die Unterstützer des 20. Juli. Aber dummerweise hat sich der Jesuitenprovinzial Rösch in irgendein Loch verkrochen.
    Soll er immerhin. Freisler hegt keinerlei persönliche Ranküne gegen Rösch. Er hätte ihn nur für seinen Prozess benötigt. Roland Freisler steht in vorderster Reihe: Ihm als dem Präsidenten des Volksgerichtshofs kommt es zu, Jesuiten, Defätisten, überhaupt Volksschädlinge jeglicher Couleur mit aller ihm zu Gebote stehenden rhetorischen Brillanz zu entlarven und anschließend dauerhaft unschädlich zu machen, zum Schutz des Reiches gegen Verrat und zum

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