Wer zuerst kommt, küsst zuerst
wüsstest.“
„Ihr seid da! Ihr seid da!“ Erin rannte auf sie zu und umarmte Lexi. Dann lächelte sie Kendra an. „Hi. Wir reiten gleich aus. Ich habe ein gutes Pferd für dich ausgesucht. Oliver. Er ist nicht so groß und ganz lieb. Sein Maul ist ein bisschen empfindlich. Du musst also vorsichtig sein.“
„Ich muss vorsichtig sein?“, fragte Kendra und ging einen Schritt zurück. „Er ist derjenige, der mir wehtun wird.“
„Nein, wird er nicht. Er wird dich mögen.“ Erin nahm ihre Hand.
Kendra sträubte sich. „Kinder langweilen mich.“
„Wie tragisch“, zog Lexi sie auf. „Du hast die Wahl: mitgehen oder gezogen werden.“
„Sie ist zu klein.“
„Bin ich gar nicht.“
Kendra ging mit Erin, um Oliver kennenzulernen. Lexi lief neben Skye.
„Darf ich mich schon mal auf so ein Verhalten einstellen?“,fragte ihre Schwester. „Ich will nicht, dass Erin sich verändert.“
„Ich weiß nicht, wie viel davon mit dem Alter und den Hormonen zu begründen ist und wie viel mit ihrer Erziehung. Vielleicht fängst du schon mal an, dir was zum Thema ‚Wie ich es vermeide, einen vorlauten, schwierigen Teenager heranzuzüchten‘ anzulesen.“
„Gute Idee.“ Skye sah sich um und sagte dann leise: „Ich habe versucht, die Ermittlungen gegen die Stiftung bis zu ihren Anfängen zurückzuverfolgen. Es wurden anonyme Hinweise und Unterlagen an den Bezirksstaatsanwalt geschickt. Jetzt habe ich gehört, dass alles wie inszeniert aussieht. Die Sache wird also vielleicht fallen gelassen.“
„Das ist gut.“
„Vielleicht. Aber der Staatsanwalt will auf Nummer sicher gehen. Deshalb will er einen Experten zu uns schicken, der sich unsere Bücher ansehen soll.“
„Ist das denn ein Problem?“ Lexi konnte sich nicht vorstellen, dass Skye etwas Illegales tat.
„Nicht in dem Sinne, dass er etwas finden könnte. Aber was mir Sorgen bereitet, ist diese sinnlose Verschwendung von Zeit und Betriebsmitteln. Ich muss extra einen Anwalt engagieren, der die Stiftung in dieser Sache vertritt. Unser hauseigener Berater ist auf gemeinnütziges Recht spezialisiert und nicht auf Rechtsstreitigkeiten. Jeder Cent und jede Minute, die ich dafür opfere, geht zu Lasten unserer Mission. Der Gedanke, dass jemand so was absichtlich machen könnte, macht mich stinksauer. Falls es Garth ist – begreift er denn nicht, dass er mit seinen Aktionen hungrigen Kindern das Essen wegnimmt?“
„Ich schätze, das steht auf der Liste seiner Beweggründe nicht besonders weit oben. Wahrscheinlich betrachtet er es nur als glückliches Nebenprodukt.“
„So niederträchtig ist doch kein Mensch.“
„Das kann man nie wissen.“
Skye sah alles andere als glücklich aus. „Ich werde die Beschuldigungen so weit wie möglich zurückverfolgen lassen. Vielleicht finde ich ja heraus, woher sie kommen. Ich kann nur einfach nicht glauben, dass Garth unser Halbbruder ist und dass er uns – falls er es wirklich ist – so etwas antut. Warum stellt er uns nicht einfach zur Rede?“
Das hatte Lexi sich auch schon gefragt. „Ich habe das Gefühl, er will uns alle bestrafen“, erwiderte sie langsam. „Ich wüsste nur zu gerne, was wir falsch gemacht haben.“
Die Mädchen kamen mit den Pferden zurück. Erin führte drei, und Kendra hielt so großen Abstand zu ihrem Pferd, wie es die Zügel zuließen.
„Das ist dämlich“, sagte sie im Näherkommen. „Nur kleine Kinder reiten.“
„Ich reite auch“, konterte Skye.
„Super. Kleine Kinder und alte Leute.“
„Verstehe. Du fährst also die unverschämte Schiene“, stellte Skye fest und klang dabei kein bisschen verärgert. „Das Problem dabei ist nur, dass es ein derart durchschaubarer Verteidigungsmechanismus ist, dass sich niemand, der dich hört, verletzt fühlt. Vielleicht brauchst du einfach nur jemanden, der ein bisschen deine Hand hält?“
Kendra ging zur Seite. „Nein.“
Lexi gab sich alle Mühe, nicht zu lachen. Sie hatte ihre Schwester stets für die Nette in der Familie gehalten, aber Skye hatte ungemein beeindruckende Tiefen.
Erin gab ihnen die Zügel und bedeutete Kendra mit einer Handbewegung, ihr zu folgen.
„Du wirst beim Aufsteigen Hilfe brauchen“, sagte die Siebenjährige. „Führ ihn zu der Aufstieghilfe hier und dann geh die Stufen auf der anderen Seite hoch.“
Kendra rührte sich nicht. „Was, wenn er einfach weggeht und ich dann falle?“
„Das würde Oliver niemals tun, aber wenn du fällst, stehst du wieder auf und versuchst es noch
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