Wer zuletzt lacht, küsst am besten: Roman (German Edition)
verabschiedete und auf die Bierbude zusteuerte. Auf dem Weg traf sie viele ehemalige und jetzige Angestellte der JH-Ranch, und als sie es endlich zum Bierstand geschafft hatte, war es stockdunkel, und am anderen Ende des Parkplatzes enterten »Tom und die Gürteltiere« die Bühne. Obwohl sie hundemüde war, wollte sie nicht schon nach Hause. Ab und zu allein zu sein machte ihr zwar nichts aus, denn obwohl sie auf einer Ranch aufgewachsen war, auf der es von Menschen wimmelte, war sie immer allein gewesen. Doch in letzter Zeit hatte sie permanent allein in einem Krankenhauszimmer gehockt oder ihrem griesgrämigen Daddy zuhören müssen.
Sie war Sadie Jo Hollowell. Die meisten Leute hier kannten ihren Namen. Wussten, dass sie Clives Tochter war, kannten sie aber trotzdem nicht. Ihr ganzes Leben lang hatten die Menschen sie geliebt oder gehasst, je nachdem, wie sie zu ihrem Daddy standen.
Sie nahm einen Schluck aus ihrer Flasche Lone Star, drehte sich um und rannte fast gegen eine massive Brust. Die definierten Muskeln und kräftigen Bizepse erkannte sie sofort. Vince packte sie am Oberarm, damit sie nicht hinfiel.
»Wie viele davon hast du schon intus?«, fragte er.
»Nicht genug.« Sie sah an Vinces markantem Kinn und seinem Mund vorbei in seine Augen, die ihren Blick erwiderten. »Das ist mein zweites.« Sie sah sich suchend um. »Wo sind deine Freundinnen?«
»Welche Freundinnen?«
»Die Young-Schwestern und Deeann.«
»Keine Ahnung.« Er ließ die Hand an ihrem Arm hinabgleiten und nahm ihr das Bier aus der Hand. Er trank einen großen Schluck und gab ihr die Flasche wieder zurück. »Und deine Freunde?«
»Meine Freunde?« Sie nahm einen viel kleineren Schluck und reichte ihm das Bier wieder. »Winnie hab ich nicht mehr gesehen, seit sie kurz aufs Klo wollte.«
»Die meine ich nicht. Der Cowboy mit der engen Wrangler’s, die ihm die Eier abschnürt.«
Was? »Ach, du meinst Cain. Keine Ahnung. Bist du wegen seiner Eier besorgt?«
»Schon eher beunruhigt.«
Sie grinste. »Warum spielst du nicht mehr Poolbillard?« Sie entfernten sich ein paar Meter vom Bierzelt.
»Weil mich ein spindeldürrer Fünfzehnjähriger mit einem Texasflaggenhemd aus dem Turnier geworfen hat.«
Sie legte den Kopf in den Nacken und sah zu ihm hoch. Auf das Licht, das eine Hälfte seines Gesichts erhellte und über die andere Hälfte einen Schatten warf. »Aber du bist ein großer, böser SEAL. Solltest du nicht alle in den Arsch treten?«
Er lachte, tief und männlich und mit unerschütterlichem Selbstvertrauen. »Wenn mich ein pickliger Jüngling geschlagen hat, ist heute wohl nicht mein Arschtret-Tag.«
»Meinst du den Nerd mit dem Riesenhut?«
»Klingt ganz nach ihm.«
»Im Ernst? Gegen den hast du verloren?«
»Lass dich von den Pickeln nicht täuschen. Der Typ war gerissen.«
»Das ist echt peinlich.« Sie trank noch einen Schluck und reichte Vince die Flasche. »Der war doch nicht viel größer als der Queue.«
»Normalerweise bin ich mit den Händen geschickter.« Er sah ihr vielsagend in die Augen und hob die Flasche an die Lippen. »Aber das weißt du ja.«
Allerdings. »Hey, Sadie Jo. Wie geht’s deinem Daddy?«, rief ihr jemand zu.
»Danke, gut«, schrie sie zurück. Sie steckte die Hände in ihre Jackentaschen und entfernte sich weiter von der Bierbude und der Cover-Version des Songs Free Bird , die »Tom und die Gürteltiere« zum Besten gaben. Als sie Vince damals kennenlernte, hatte sie den Eindruck gehabt, dass er nicht lange in der Stadt bliebe. »Arbeitest du immer noch für deine Tante?«
»Nein. Ich arbeite für mich.«
Er reichte ihr die Flasche, und sie trank einen Schluck.
»Luraleen hat mir das Gas and Go verkauft.«
Prompt verschluckte sie sich. Vince klopfte ihr auf den Rücken, während sie nach Luft rang, hustete und spratzte. »Echt?«
»Echt. Ich hab gestern den Vertrag unterschrieben.« Er schnappte sich die fast leere Flasche, trank sie bis auf den letzten Tropfen aus und pfefferte sie in den Mülleimer hinter ihr.
Sie wischte sich mit dem Arm über Mund und Nase. »Dann muss ich wohl gratulieren.« Glaubte sie zumindest.
»Wie geht es dir?«
Sie blinzelte verwirrt. »Besser. Ich hab nur Bier in die falsche Kehle gekriegt.«
Er fasste sie unters Kinn und hob ihr Gesicht zum Licht. »Ich hab das von deinem Dad gehört. Wie hältst du dich?«
Sie sah in die Augen dieses Mannes, den sie kaum kannte, und stellte fest, dass er der Erste war, der sich nach ihr erkundigte, der
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