Wer zuletzt lacht, küsst am besten: Roman (German Edition)
gierig zu sein, ohne sich Sorgen um Gefühle machen zu müssen oder darum, ob er wieder anrufen würde, oder um all die anderen Dinge, die mit dem Aufbau einer Beziehung einhergingen. Die Freiheit, mit einem Lächeln auf den Lippen entspannt aufzuwachen und nicht den ganzen Tag am Telefon zu hocken.
Auf dem Heimweg fuhr Sadie durch Lovett und war versucht, kurz im Gas and Go vorbeizuschauen. Eine Cola light und eine Tüte Cheetos konnte sie immer gebrauchen. Sie hatte am Abend nichts weiter vor und er vielleicht auch nicht, aber lieber würde sie sich in der Glotze oder auf YouTube Jux-Videos reinziehen, bis ihre Augen glasig wurden, als unter dem Vorwand einer Heißhungerattacke beim Gas and Go anzuhalten.
Als Vince sie zum Abschied geküsst und sich ein letztes Mal bei ihr bedankt hatte, wusste sie, dass es das gewesen war. Klar, er hatte Spaß gehabt, aber er hatte sie weder um ein Wiedersehen gebeten noch nach ihrer Telefonnummer gefragt. Aber sie war deshalb nicht sauer. Auch nicht traurig. Okay, vielleicht ein bisschen, weil sie den Abend lieber mit einem Schäferstündchen verbracht hätte, als sich zu Tode zu langweilen, doch sie hatte kein Recht, sauer zu sein. Schließlich hatte er klipp und klar gesagt, dass es ihm nur um Sex ging. Es stand ihm frei, andere Dinge zu tun, genau wie ihr, nur dass sie nichts zu tun hatte. Wieder zu Hause zu sein hatte ihr beklagenswert deutlich gemacht, dass sie in dem Städtchen, in dem sie geboren und aufgewachsen war, keine tieferen Freundschaften geschlossen hatte. Es gab hier niemanden, mit dem sie sich spontan zum Mittagessen hätte verabreden können. Der Mensch, mit dem sie nach ihrer Rückkehr am meisten geredet hatte, war Vince, aber sie zu unterhalten war nicht seine Aufgabe. Auch wenn das schön gewesen wäre. Also musste sie sich etwas einfallen lassen, um ihre Zeit sinnvoll zu nutzen, bevor sie noch durchdrehte.
Am nächsten Tag fuhr sie nach ihrem morgendlichen Krankenhausbesuch in Amarillo drei Querstraßen weiter zum Frisör- und Schönheitssalon Lily Belle. Sie nahm auf dem Stuhl der Besitzerin Lily Darlington höchstpersönlich Platz und entspannte sich. Es war schon eine Weile her, dass sie mit einem schwarzen Nylonumhang, der sie vom Hals bis zu den Knien verhüllte, beim Frisör gesessen hatte. Der Geruch von Shampoo und Kräuterduftkerzen vermischt mit Dauerwellenlösung ließ sie ihr Leben für ein Weilchen vergessen.
Sadie hatte sich für Lilys Salon entschieden, weil die Frau ausnehmend schönes Haar hatte. Gesund und kräftig mit natürlich aussehenden blonden Strähnchen in unterschiedlichen Tonabstufungen. Lily hatte wie Sadie blondes Haar und blaue Augen, und als sie anfing, Sadies Haare mit Folien zu umwickeln, stellten sie fest, dass sie noch mehr Gemeinsamkeiten hatten als nur honigblondes Haar und himmelblaue Augen. Lily war in Lovett aufgewachsen, hatte fünf Jahre vor Sadie die Lovett High abgeschlossen, und gemeinsame Bekannte hatten sie auch. Und natürlich kannte Lily die JH-Ranch und die Hollowells.
»Meine Mama hat im Wild Coyote Diner gearbeitet, bis sie sich letztes Jahr zur Ruhe gesetzt hat«, erzählte Lily, während sie mit dem Pinsel Farbe auf dünne Haarsträhnen auftrug. »Und meinem Schwager gehört Parrish American Classics.«
Natürlich hatte Sadie schon von den Parrish-Brüdern und von ihrer Firma gehört. »Ich hab früher oft im Wild Coyote gegessen. Belegte Brote und Pekannusskuchen.« Im Salonspiegel sah sie zu, wie Lily eine Folie zusammenfaltete. »Wie heißt deine Mama denn?«
»Louella Brooks.«
»Klar erinnere ich mich an sie.« Louella war eine genauso wichtige Institution gewesen wie das Wild Coyote. »Sie wusste immer jede Menge Geschichten zu erzählen.« Wie alle anderen in Lovett, aber was Louella von der Masse abhob, war ihr Talent, mitten in einer Anekdote zu unterbrechen, an einem anderen Tisch eine Bestellung entgegenzunehmen und dann zurückzukommen und, ohne auch nur eine Silbe auszulassen, weiterzuerzählen.
»Ja. Das ist Mama.« Die Türglocke bimmelte, und Lily blickte von ihrer Arbeit auf. »Oh nein!« Ein Riesenstrauß roter Rosen schwebte in den Salon und verbarg denjenigen, der sie trug. »Nicht schon wieder.« Der Lieferjunge legte die Blumen auf den Ladentisch und ließ sich den Empfang von einer Angestellten quittieren.
»Sind die für dich?«
»Ich fürchte ja.«
Für diese Rosen hatte jemand mal so eben mehrere Hundert Dollar abgedrückt. »Das ist süß.«
»Ist es nicht. Er
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