Wer zweimal stirbt, ist laenger tot
man ihr eine Zitrone zwischen die Zähne gerammt. »Empfindlicher als sonst, Darling? Vorsicht. Man könnte auf die Idee kommen, dass dir der Glaube abhandengekommen ist.«
»Woran ich glaube, hat doch noch nie eine Rolle gespielt.«
»Worüber reden wir hier eigentlich?«, überlegte Marc laut. »Ich hab allmählich Probleme mit der Besetzungsliste. Gibt es einen Grund, warum beide Betsys und der Teufel und Jessica und ihr Bauch und …«
»Es spielt doch keine Rolle, woran irgendeiner von uns glaubt«, sagte ich entnervt. »Wir alle wissen, dass es einen Gott gibt, man könnte nur den Eindruck gewinnen, dass er auf Dauerurlaub ist.«
»Warte mal«, warf Nick/Dick ein. »So simpel ist das nicht.«
Dieses Mal hörten wir alle die Schritte. Da draußen nahte jemand, der es eilig hatte und sich keine Mühe gab, leise zu sein. Ich hatte fast Angst zu erfahren, wer sich diesem Wahnsinn noch zugesellen mochte.
Die Tür schwang auf. Antonia steckte ihren Kopf in die Küche. »Was zum Teufel ist denn hier los?«
»Wir diskutieren«, sagte Satan hilfreich. »Über …«
»Kein Interesse.« Die Tür schwang wieder zu. Die Schritte entfernten sich.
»Ich habe mich noch gar nicht dafür bedankt, dass du sie mir abgenommen hast«, sagte Satan zu mir.
»Wusst ich’s doch, dass du viel zu schnell einverstanden warst!«
»Jetzt hört doch mal zu … worüber wir gerade geredet haben: Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, ein weißes Licht gesehen zu haben, als ich starb«, behauptete Marc. »Daher können wir doch gar nicht wissen, ob es ihn wirklich gibt …«
»Natürlich wissen wir das!«, fuhr ich ihn an.
Eine Neuauflage dieser Diskussion war keine gute Idee. Gar keine gute Idee. Ich wusste es doch besser. Wir alle wussten es besser. Eine Debatte über Religion war gar nicht gut. Als Nächstes würden wir über Abtreibung diskutieren. Oder über Politik … auch so ein Superthema. »Wir alle sind uns einig, dass es einen Teufel gibt, richtig?«
»Hier!«, rief Satan fröhlich und hob die Hand.
»Ergo muss es auch …?«
»Hm, hm. Tja. Stimmt wohl. Aber das kommt mir wie eine Ausrede vor.« Marc schaute zwischen Laura und Satan hin und her. »Wenn man es weiß. Versteht ihr?«
»Es ist sogar noch schlimmer.«
»Wie kann es denn noch schlimmer sein?« Nick hatte angefangen, sich nützlich zu machen, indem er die restlichen Einkäufe verstaute. Jessica hatte eine arg zerdrückte Tüte Schokostreusel hervorgezogen und schaufelte sich das Zeug in den Mund, als gäbe es kein Morgen. »Menschen haben für ihren Glauben Kriege geführt. Ganze Völkerscharen abgeschlachtet, weil sie … ihr wisst schon. Fanden das vielleicht cool.«
Ich schüttelte den Kopf. »Denkst du, es wird leichter, wenn man nicht nur an Gott glaubt, sondern auch Beweise für seine Existenz hat?« Jetzt hörte ich ganz deutlich Schritte im Korridor und wusste, dass mein Ehemann nahte. Tina musste ihn vorgewarnt haben. »Ich weiß nicht nur, dass es Gott und den Teufel gibt, ich weiß, dass Gott weiß, dass kleine Kinder sterben oder misshandelt werden. Er weiß, dass es Selbstmordattentäter und Leukämie und die Pest gibt. Scheiße, wenn man der Bibel Glauben schenken darf, dann hat er höchstpersönlich die Pest geschickt.«
»Okay …« Dick blickte skeptisch drein, aber Marcs Interesse hatte ich geweckt. Das war verständlich … schließlich war er gestorben und hatte nach eigenem Bekunden kein weißes Licht gesehen. Was also bedeutete der Glaube für ihn? Und für jeden von uns?
Leise glitt Sinclair herein und nickte mir zu. Ich wusste nicht genau, was er mir damit sagen wollte – er behielt seine Gedanken immer noch für sich. Kluger Mann.
»Gott existiert, und er muss uns mal ein paar Dinge erklären.« Momentan durch das Auftauchen meines Gemahls abgelenkt, versuchte ich, meine Gedanken wieder zu ordnen. »Ich … also meiner Meinung nach ist es sehr viel schlimmer, es zu wissen. ›Gottes Wege sind unergründlich‹? Ha. Man sollte besser sagen, Gott ist ein gefährlicher Irrer und muss aufgehalten werden.«
»So hab ich das noch nie gesehen.« Und es klang, als wollte Marc es auch nicht so sehen.
»Sorry«, war alles, was mir dazu einfiel.
Satan strahlte mich an. Brrrr. »Du bist also eine Dystheistin.«
»Yep, das bin ich. Von Kopf bis Fuß.« Ich würde nicht fragen. Ich würde nicht fragen. Ich würde mir auf keinen Fall die Blöße geben, sie zu …
»Du glaubst, dass Gott zwar existiert, aber nicht nur gut
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