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einen Moment mein Schienen-Schätzchen .
Ich sage zu ihr: »Hör mal. Vergiss ihn doch einfach. Komm Samstag mit den Jungs und mir mit. Vielleicht lernst du da Andreas … ähh … was And’res kennen. Ablenkung tut gut.«
Sie trocknet ihre Tränen. Ein finaler Schnäuzer in ihre Papierserviette, mit dem Aufdruck Döner macht schöner , lässt sie wieder lächeln.
Unerwartet gibt sie mir ihre Zusage und ich fühle mich, als wenn ich zum ersten Mal in zwei Jahren auf der Gewinnerstraße der Liebe fahre, weil ich endlich Licht am dunklen Singlehorizont sehen kann.
Mit einer großzügigen Geste bezahle ich unser Mahl und gebe dem Chef des Lokals einen Cent Trinkgeld.
Er bedankt sich mit einem Biss auf die Münze, um zu prüfen, ob diese echt sei. Ich gucke ihn deswegen blöde an und er guckt beleidigt zurück. Schließlich gehen wir zurück zur Arbeit.
Den ganzen Nachmittag muss ich an Lea denken. Eine seltsame Mischung aus Mitleid und Freude über ihr Schicksal erfüllt mich. Meinen ursprünglichen Plan, mit ihr nur anzubändeln, wenn es mit Frau Numero eins nicht klappt, kann ich nun über den Haufen – besser aus dem Zug – werfen. Die Gelegenheit wird sich mir kein weiteres Mal bieten.
›Samstag kann kommen – das Schienen-Schätzchen brauche ich nicht mehr!‹, lüge ich mich an.
Fünftes Kapitel
Abspacken
Der Mittwoch ist aufgrund vieler Aspekte ein kultureller Höhepunkt. So teilt er nicht nur die Arbeitswoche und lässt hoffen, dass bald das Ende selbiger erreicht ist. Nein – zudem bietet er den Tag des schlechten Scherzes , meinen Putztag sowie unseren TV-Serienabend.
Uns beziehungsweise wir sind eine Gruppe von insgesamt drei Leuten, die ein kindliches Vergnügen dabei verspürt, ihre Lieblings-Serien-Hits aus den USA zu gucken.
Kleine silberne Scheiben – genannt DVDs oder Blu-Ray-Discs – helfen uns, dieses Suchtverlangen zu befriedigen, welches in mancherlei Hinsicht radikale Diskussionen herbeiführen kann, wie es sie sonst nur in der Führungsspitze der Taliban geben dürfte.
Diese eingangs erwähnten Freunde bilden also quasi das Triumvirat des TV-Mainstream-Geschmacks.
Wegen unseres Turnus-Verfahrens bin heute ich an der Reihe, Cola, Bier, Chips und andere unnütze Leibesgenüsse sowie meine Räumlichkeiten für diesen Event zur Verfügung zu stellen. Bevor jedoch die beiden anderen Mitglieder dieser – ach so heiteren – Unternehmung auftauchen, putze ich zunächst meine kleine Stadtvilla.
Ehe es heute Abend richtig rundgehen kann, benötige ich noch einige Utensilien. Ich suche den nahen Drogeriemarkt um die Ecke auf und kaufe mir neue Putzhandschuhe und Essigreiniger.
Ich bin mein eigenes Kind . Daher kann ich an der Kasse nicht widerstehen, eine kleine Auswahl der dort liegenden Quengelware einzupacken.
Auf dem kurzen Rückweg zu meinem Haus überlege ich noch, warum ich beim Einpacken des Essigreinigers auf einmal ein Zwitterwesen – halb Hund halb Frau – vor meinem inneren Auge gesehen habe. Diese Überlegungen verwerfe ich jedoch schnell wieder, um mir einen der soeben gekauften Schokoriegel zwischen die Kiemen zu schieben.
Kaum fällt meine Wohnungstür in ihr Schloss, gehe ich meiner Lieblingsbeschäftigung nach. Putzen geht mir leicht von der Hand. Schnell habe ich jede Ecke ausgesaugt, mit einer alten Zahnbürste den Flur gewienert sowie meine Möbel abgestaubt. Getreu meiner alten Weisheit, Putzen, nicht um sauber zu machen, sondern damit es sauber bleibt , bin ich im Verlauf von rund vierundsiebzig Minuten mit der Arbeit fertig. Beruhigten Gewissens stelle ich fest, dass die Ravioliflecken vom Vortag, doch zu entfernen sind. Es lebe die teutonische Putzmittelindustrie!
Flink wie ein Wiesel ist die Zeit da, die ich so herbeisehne.
Gegen 21 Uhr klingelt meine Gegensprechanlage und ich betätige den elektrischen Türöffner, der meinen Gästen den Weg nach oben ermöglicht.
Eineiige Zwillinge namens Nils und Sven betreten schließlich mein kleines, wenig feines Heimkino. Die Köpfe – wie ich sie wegen ihres Nachnamens Kopf immer nenne – habe ich in der Schule kennengelernt. Lustigerweise hatten es sich die zwei Brüder nicht nehmen lassen, ein und dieselbe Klasse zu besuchen. So hatten sie sich also bei ihrer Geburt nicht nur beide durch denselben engen Kanal zwängen müssen; sie mussten auch fast neun Jahre auf derselben Schule mit mir ertragen.
Nachdem wir unsere üblichen Aachener Begrüßungsfloskeln: »Au Hur, Au Banan … wie
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