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guten Lauf habe.
»Was den Job angeht, habe ich also zumindest ausnahmsweise Glück«, rede ich mir selbst ein und werde fröhlicher.
Meine To-do-Liste wird zwar immer länger, aber es hindert mich nicht daran, bei den sonst so grauenvollen Top-Forty-Hits von WDR 2 mitzusingen.
Wenigstens so lange, bis sich mein direkter Arbeitsplatznachbar Ralf mit einem lauten und ironischem: »Alter, halt die Klappe! Wie ett Original, klingste einfach nich’!«, beschwert.
Ich werfe ihm daraufhin höflich: »Leck mich doch. Nichts gönnst du einem!«, an den Kopf, um mich zwei Minuten später bei ihm zu entschuldigen und zu geloben, dass ich professionelle Gesangsstunden in Betracht ziehen werde.
Einen Punkt mehr füge ich der To-do-Liste hinzu. Mit einem roten Textmarker kennzeichne ich das soeben Geschriebene: »Back-up nicht vergessen.«
Der Veggie-Shop ist einer der Jobs, die nicht auf einem – von der IT-Abteilung überwachtem – Server-Bereich liegen. Somit muss ich Sicherungskopien nach Gutdünken manuell ausführen.
Dieses gewünschte Prozedere war nicht meine Idee, sondern wurde mir vom Chef damit erklärt, dass der Rest der Belegschaft von dem Projekt nichts erfahren dürfe. Natürlich weiß dennoch selbst die Putzkolonne von dem ganzen Vorgang.
Soll mir doch mal einer erklären, was an Tofu-Würstchen für die Landbevölkerung so geheimnisvolles sein soll? Aber die Marketing-Abteilung des Kunden wollte es leider so und nicht anders. Alle Beteiligten mussten sogar Geheimhaltungsverträge – sogenannte NDAs – unterzeichnen.
Das letzte Back-up ist schon acht Tage alt – ich sage mir aber, dass ich noch ein paar Tage mit einem neuen warten kann.
»Was soll schon passieren?«, denke ich mir und lösche die alten Dateien, die viele Gigabyte an Speicher auf meiner Festplatte verbrauchen.
Nun hab ich wieder ausreichend Platz für das folgende Back-up. Ich muss allerdings zugeben, dass das Arbeiten ohne Sicherungskopien dem ungeschützten Sex mit einer kostengünstigen Hure vom Drogenstrich gleichkommt.
Aber wie dem auch sei, heute kümmert es mich nicht und ich lache bei meinem schmuddeligen Vergleich, derweil ich den elektronischen Papierkorb leere. Zwischenzeitlich schickt mir Jan eine E-Mail, in der er sich für die liebevoll festgeklebten Kulis, Radiergummis, Bleistiftanspitzer und anderen Büromaterialien bedankt. Ich grinse hämisch und schreibe ihm in einem zurück, dass er heute nur mit Perry in der Pause vorliebnehmen muss. Schneller als der Blitz kommt seine Antwort …
Hey Du Pfeife,
was soll das? Bin Perry heute schon begegnet.
Er hat mal wieder angekündigt, dass er von einer neuen „Sexgespielin“ erzählen will. Er ist wohl gestern auf dem Kölner Ring unterwegs gewesen.
Ich kann sein Macho-Gelaber nimmer ertragen. Das will ich endlich selbst erleben! Es wird Zeit für das Wochenende. ;-)
MfG
Der Moss Man
Ich schreibe ihm nicht mehr zurück aus Freude darüber, dass ich ihm zumindest so einen Teil seiner Feiertagsaktion heimzahlen kann.
Bis zur Mittagspause werke ich noch weiter an den Fleisch-Ersatzstoffen, Bio-Nudeln, Müslis und den vielen anderen Dingen, die einem Fleischer und ebenso einem Steak-Liebhaber wie mir die Schamesröte ins Gesicht steigen lassen.
Wie hatte mir ein Metzgermeister – Vater eines guten Freundes – einst in seiner vom Ruhrpott geprägten Sprechweise gesagt: »Die Vegetaria … datt sind uns’re größten Feinde, glaub mir!«
Keine Ahnung, ob er diese Meinung später revidiert hatte. Wie dem auch sei, er war die Schlächterei leid und wurde Diplom-Theologe. Vielleicht wollte er wie der heilige Franziskus den Tieren lieber predigen und keine Bolzen mehr durch ihre Köpfe jagen müssen. Ich weiß es nicht. Jedenfalls war ihm auch diese Berufung nicht ausgefüllt genug. Ein erneuter Seitenwechsel machte letztendlich einen Rechtsanwalt aus dem Mann. So spielt das Leben eben!
Vor meinem anberaumten Treffen mit Lea melden sich nochmals Willi und seine zwei kleineren Geschwister zu Wort. Auch diese haben Hunger und Lust auf Nahrung. Da ich ihnen aber keine Vegetarier-Kost anbieten will, weil sie – ebenso wie ich – auf Fleisch stehen, verwöhne ich sie lieber mit einer weiteren Portion Brandsalbe.
Beim Verlassen der Toilette kommt – zum ersten Mal in meinem Leben – der Wunsch in mir auf, dass ich mich doch einmal sportlich legerer kleiden sollte. Nicht immer müssen es Designer-Klamotten in edlem Schwarz sein. Man könnte es zum
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