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Beispiel ruhig einmal mit einem sehr weit geschnittenen, klassischen Jogginganzug aus glänzender Fallschirmseide versuchen. All die Rapper auf MTV rennen doch auch damit herum und machen Millionen mit ihrem Gerülpse. Der Grund für den geplanten Stilwechsel ist schnell erklärt: Meine gefälschten KC-Boxershorts scheuern leider so heftig, dass ich wieder wie John Wayne gehen muss.
Um nicht abermals aufzufallen, kommt mir eine rettende Idee. Kurz vor Verlassen des Gebäudes kehre ich an meinen Schreibtisch zurück und plündere meinen Topf mit dem ersparten Kleingeld.
In meine beiden Hosentaschen stopfe ich nun jeweils eine Handvoll Münzen. Das Geräusch, das dadurch bei jedem Schritt entsteht, kommt dem metallischen Laut von Sporen sehr nahe. Jetzt fühle ich mich tatsächlich wie der Held eines alten Westerns und verabschiede mich bei meinen Kollegen mit einem schmerzerfülltem Howdie , wobei ich mir mit ausgestrecktem Zeige- und Mittelfinger zum Gruß an die Stirn tippe.
Der Fußweg von vier Minuten Dauer bis zur Dönerbude, wo ich Lea treffe, wird jedoch zu einer kleinen Mutprobe. So muss man sich bestimmt vor seinem ersten Rodeo fühlen. Alle Passanten gucken mich ziemlich komisch an. Vielleicht liegt es daran, dass ich – zu meiner neu erlernten Cowboy-Rolle – einen Stetson tragen sollte.
Ich überlege, dass ich nach der Arbeit noch bei einem Hutgeschäft vorbeigehen könnte. Ein sofortiger Blick in meine Geldbörse sagt mir andererseits, dass solche Extravaganzen Luftschlösser bleiben werden.
Bald schon kann ich Lea vor dem kleinen türkischen Imbiss erblicken. Den ganzen Tag hatte ich sie bedauerlicherweise noch nicht zu Gesicht bekommen und muss nun bemerken, dass ihr sonst so fröhliches Wesen, genau wie der Himmel, von Wolken verhangen ist.
»Hey, kleines Regengesicht. Was ist denn los?«, sage ich zu ihr.
Ohne ein Wort von sich zu geben, bricht sie in Tränen aus und fällt mir um den Hals. Blöd nur, dass sie mir bei dieser Bewegung mit ihrer Handtasche in die so arg geschundene Familienplanung haut. Aufgrund dessen muss ich unweigerlich mit ihr weinen. Nachdem wir uns beide ein wenig beruhigen können, nehmen wir in der Imbissbude Platz.
Dem sowieso ewig zurückliegenden Gammelfleischskandal zum Trotz, bestellen wir uns eine Kleinigkeit zu Essen. Sie bestellt einen großen Salat – denn sie gehört zu den vorhin erwähnten Metzgerfeinden. Ich nehme mir ganz verwegen einen Döner Kebab. Aber nicht, ohne den Maître de Cuisine zu fragen, ob er denn auch Stoffservietten in seinem Angebot habe.
Sein Freundliches: »Tut mir leid … die Seidenservietten sind aus!«, reicht mir als Antwort.
Unter Berieselung türkischer Folkloremusik lege ich mir eine der – eh viel exquisiteren – Papierservietten auf den Schoß.
Nun sprudelt es aus Lea heraus.
»Malte will mich verlassen. Er könne nicht mehr mit mir leben, weil ich seinen intellektuellen Ansprüchen nicht genüge.«
Sie fängt wieder an zu weinen. Ich fühle mich durch die Restaurantsituation ein wenig wie in dem Film Harry und Sally . Nur, dass sie nicht Meg Ryan ist und einen Orgasmus vortäuscht und ich nicht Billy Crystal, der das Vergnügen hat, ihr dabei zuzuschauen.
Zärtlich nehme ich ihre Hand. Da ich ganz nah am Wasser lebe, fallen auch bei mir ein paar Tränen. Dies liegt indes nicht an Sallys – ich meine – Leas Geschichte, sondern an der Tatsache, dass die Wirkung der Brandsalbe ihre schmerzhemmende Wirkung jetzt völlig verloren hat.
Ich tröste sie: »Verlassen? Dich. Was für ein Trottel. Der hat Dich doch gar nicht verdient. Gib Du ihm den Laufpass!«, gebe ich ihr zu Bedenken und füge im Geiste ein »nimm mich « hinzu.
Prinzesschen geht es nun immer schlechter.
Sie drückt meine Hand so fest, dass ich nun wünschte, diese wie Colonel Scatman bandagiert zu haben.
»Ach weißt du, Andreas. Es war schon länger nicht mehr so wie früher mit ihm. Er hat doch nur noch das Schreiben im Kopf. Seit er an seinem neuen Lyrikband arbeitet, ist es noch schlimmer geworden. Na ja. Und als ich dann bei einem seiner Gedichte weder Jambus noch Trochäus als Versmaß auseinanderhalten konnte, hat er mich aus seiner Wohnung gejagt.«
Ich muss innerlich lachen, auch wenn sie mir sehr leidtut. Malte ist einer dieser bekloppten Möchtegern-Woody-Allens. Kein Geld auf dem Konto, nichts in der Hose, aber trotzdem für alle Frauen interessant. Nach langem Warten sehe ich endlich meine Chance gekommen und vergesse für
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