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anzuflunkern, gehe ich in die Bildbearbeitung zu Jans Platz, da ich natürlich keine Lust habe, wie ein Misanthrop meine Pause alleine zu verbringen. Auf dem Weg begegne ich Perry.
Ich setze gerade zum Gruß an, da guckt er schon in eine andere Richtung. Er macht sogar noch mehr.
Ich höre ein leises »Verräter-Schwein« aus seinem Mund. Diese Begebenheit weiß ich zunächst nicht einzuordnen. Wen kann er nur meinen? Ich hatte doch bisher dichtgehalten wie eine Windel von Pampers. Ob es die wohl aus roter Spitze gibt? Das wäre dann unter Umständen ein doppeltes Fetischobjekt für Perry.
Kurz vor dem Erreichen der Bildbearbeitung komme ich an seinem Schreibtisch vorbei. Neben seinem Bluetoothheadset und dem Festnetztelefon kann ich erkennen, dass irgendein Witzbold die Tischplatte mit farbigen Cartoons eines Mannes in Frauenunterwäsche bepinselt hat. Ein großes Schild prangt auf seinem Bildschirm.
Terminerinnerung: Ab Montag gibt es bei Hunkemöller die neue Kollektion für Herren!
Die erste Überlegung, die mir in den Sinn kommt, ist, dass Montag in fünf Tagen sein wird. Der zweite Gedanke ist, dass heute gar nicht Tag des schlechten Scherzes ist und die Kollegen einfach ihren Spaß ohne mich veranstaltet haben. Der dritte Geistesblitz gilt unserer armen Putzfrau oder vielmehr Colonel Scatman. Irgendeiner dieser armen Seelen wird den Tisch wieder in seinen Urzustand bringen müssen. Aber diese Tatsachen sind selbstverständlich uninteressant und völlig nichtig.
Irgendwer in der Firma weiß bereits von Perrys Geheimnis und verbreitet es wie eine winterliche Tröpfcheninfektion. Fest nehme ich mir vor, Perry nachher darüber aufzuklären, dass nicht ich dieser Denunziant bin.
Als ich in die Bildbearbeitung komme, stelle ich fest, dass sich bei Jan ein wahrer Pulk von Leuten eingefunden hat. Teils tuscheln sie, zum anderen Teil lachen sie laut.
»Hey, Moss Man! Was is’n hier los?«, frage ich nur an ihn gewandt.
»Hey, Andy! Hahaha. Haste noch nicht gehört?«
»Was denn?«, kommt es mir unschuldig über die Lippen.
»Kannst du Dich noch erinnern, wie Perrys Internetshop mit den getragenen Slips ans Licht der Öffentlichkeit gekommen ist?«, antwortet er mir.
»Ja!«, ich überlege kurz. »Irgendein Typ aus der IT hat bei ihm das E-Mail-Postfach wegen Virenanhängen überprüft und gleichzeitig ein paar pikante E-Mails gefunden. Wieso?«
»Ganz einfach, mein Lieber. Derselbe Techniker hat bei ihm Spams löschen sollen und eine recht interessante Mail aus einem Forum lesen können.«
»Und?«
»Na ja. Das Forum hieß Crossdressing leicht gemacht . Sagen wir mal so – es hat sich der schlüpfrigen Themen angenommen.«
Die Versammlung um Moss Mans Schreibtisch beginnt, lauthals zu lachen. Hoppla. Also war das der Grund für Perrys seltsames Verhalten. Er muss denken, dass ich unser … sein Geheimnis ausgeplaudert habe. Ich versuche, den Gedanken zu verdrängen und verabrede mich zur Mittagspause mit Jan. Perry, so nehme ich mir vor, werde ich nachher eine klärende E-Mail schreiben.
Die Mittagspause verläuft in gewohnten Bahnen. Freilich hat Moss Man nun Perrys Rolle eingenommen. Ich muss mir – zu meinem Unbehagen – Bettgeschichten anhören.
»Alter. Petra ist echt ziemlich krass, wenn du weißt, was ich meine! Verstehste?«
»Keine Ahnung. Steht sie auf Plüschhandschellen?«, frage ich leicht genervt.
»Ne, aber fast. Ich muss ihr immer den Hengst machen.«
»Ah ja!«, antworte ich gelangweilt.
Fast vermisse ich Perry. Seine Geschichten waren zwar erstunken und erlogen, aber eben darum wahrscheinlich interessanter und kreativer. Wo ich ihn gerade erwähne. Eben jene Person betritt in diesem Moment die Kantine. Auf einmal: Stille. Eine Brechstange könnte man fallen hören. Und so, als wäre nichts gewesen, setzt plötzlich an jedem Tisch ein Tuscheln ein. Die gesamte Kantine zerreißt sich das Maul: über Perry.
Wie ein begossener Pudel setzt sich dieser nun in eine Ecke. Man muss allerdings zu seinen Lasten sagen, dass sein Hemd ein Muster aufweist, welches – aus der Entfernung betrachtet – an Brüsseler Spitzen erinnert und somit sein neuerlich offenbartes Geheimnis dezent unterstreicht.
Der versammelten Mannschaft bietet sich eine tragisch komische Szene, die der alte William Shakespeare niemals besser hätte dichten können.
Von Weitem sehe ich Stefan – unseren Haus- und Hoffotografen – in Richtung von Perrys Platz gehen.
Gott sei Dank ist Stefan bekannt
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