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Vaders hin und her.
»Aha. Da ist aber jemand glücklich, gelle. So und jetzt gibst du es mir wieder und wir gehen an der frischen Luft spielen? Okay? AUTSCH!«
Der Satz geht in Schmerzen unter. Der Bengel hat mir tatsächlich das Schwert über die Rübe gezogen. So ein Teufelsbraten. Erzieherische Maßnahmen müssen her.
»Her damit, du Sauaas. Das lasse ich mir nicht bieten!«, ich reiße ihm das unscheinbare Mordwerkzeug aus den kleinen Patschehändchen. Wer den Horrorstreifen Chucky die Mörderpuppe kennt, weiß, dass eine geringe Körpergröße nicht mit verminderter Boshaftigkeit einhergehen muss.
Seine Antwort ist einmal mehr ein riesiger Katzenjammer.
Schlagen will, kann und darf ich ihn nicht. Aber mit sanfter Gewalt packe ich ihn an der Hand und führe ihn – immer noch weinend – auf den Balkon.
Auf einmal ist er wieder leise und beendet seine – nun offensichtliche – Theatershow. Die letzten Krokodilstränen wischt er sich aus den Augenwinkeln und stürzt sich in die Hängematte.
» Uiiii . Toll«, sagt er und nimmt mir den einzigen Sitz- und zudem Liegeplatz von Klein-Balkonien. Er ist zwar erst vier, aber das Hin- und Herwiegen seiner Säuglingszeit scheint er noch nicht vergessen zu haben. So quengelt er so lange, bis ich mich breit schlagen lasse, den Job des professionellen Anstupsers zu übernehmen.
Praktisch: Seine Schmusedecke ist groß genug, um ihn warm zu halten. Keine fünf Minuten sind verstrichen, da ist der Wicht eingeschlafen. Die letzten Krümel seines Nuss-Nugat-Creme-Snacks haben meiner weißen Hängematte und auch meiner Decke braune Flecken beschert. Es ist mir gleich – Hauptsache Ruhe.
Ich schnappe mir wieder das Zeichenbrett und beginne zu skizzieren. Eine vergnügte Viertelstunde geht vorüber.
Justament bin ich dabei, meine Version von Herrn Beaujean zu zeichnen, als er mich letzthin auf Toilette besucht hat und an die Tür von Kabine Nummer sieben klopfte.
Bums … Bums … Bums .
Fantasie ist etwas Schönes. Sie trägt einen zu jedem Ort, den man sich vorstellen kann. Aber komisch, warum kann ich denn dieses laute Pochen aus meinem Comic wirklich hören? Ich höre auf zu zeichnen.
Bums … Bums …
»Mama, Mama. Ja! Bitte hab’ mich ganz doll und feste lieb!«
Irgendwie kommt mir dieser Ausspruch nicht unbekannt vor! Ich stehe auf, um vom Rand des Balkons den Verursacher zu finden. Eine Etage tiefer – in Herr und Frau Jerrickes Küche – sehe ich eine interessant filmreife Szene. Zutiefst traurig muss ich feststellen, dass dieser Film aber in der Erwachsenenabteilung einer Videothek stehen würde.
Der massive Tisch aus Kiefernholz ist zugleich das Lotterbett Frau Jerrickes. Diese Untat treibt mir die Schamesröte in die Augen. Völlig entblößt wird die treulose Ehebrecherin auf dem Tisch begattet.
Von wegen Buchklub !
Irgendwie ist der Anblick jedoch magisch. Meine Augen abzuwenden fällt mir schwer.
Die lauten Klopfgeräusche rühren daher, dass bei jedem Stoßvorgang vom Lover meiner Nachbarin, der Tisch mit der Wand kollidiert. Immerhin weiß ich nun, woher das umgangssprachliche Verb bumsen stammen muss.
›Wenn ich doch nur eine Videokamera hätte!‹, ist mein erster Gedanke. Gefolgt von: Mist, woher kenne ich denn diesen Ausschrei von vorhin?
Nun kann ich auch das Gesicht des männlichen Pornodarstellers in spe ausmachen, der beim Begatten wie Ödipus an seine Mutter denkt. Sein mageres Äußeres und das Kassengestell auf seiner Hakennase sowie die Hühnerbrust sind unverkennbar.
Malte? Versucht er vielleicht, Richard Gere in seinem Callboy-Film Ein Mann für gewisse Stunden zu imitieren? Unglaublich! Was ist mit seiner Laufbahn als Literat beziehungsweise, wer wäre so verrückt, ihm Geld für Sex bezahlen zu wollen? Zumal Lea – nur am Rande erwähnt – übertrieben haben muss: So rothaarig ist Malte untenrum gar nicht.
Zweifelsfrei finde ich die Tatsache befremdlicher, dass sein Betthase nun Frau Jerricke und nicht mehr meine Arbeitskollegin ist. Was sollte Lea schon machen? Wahrscheinlich steht der Kerl einfach auf ungepflegte Frauen und nicht auf Klasseweiber wie meine Prinzessin.
Um eine bessere Sicht zu bekommen, senke ich den Kopf. Dies mache ich natürlich aus rein wissenschaftlichem Interesse. Beruhigt stelle ich fest, dass Beate Jerricke keinen Ehebruch begeht. Eine biblische Steinigung wäre somit zu umgehen. Außerdem ist mein Wunsch nach einer Videokamera vollkommen unnötig. Denn Herr Jerricke ist auch
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