Werbevoodoo
Woche macht Miriam einen sauguten Kaffee. Sie hat da einen Wunderheiler aufgetrieben, der hat die Maschine neu eingestellt. Und seitdem hat sich der Kaffeekonsum in der Agentur verdoppelt.«
Als die Tür wieder aufging und das Tablett mit den Tassen und Gläsern auftauchte, fragte Wondrak einfach ins Blaue: »Und, sind Sie zufrieden mit dem Service von Andreas Hofer, Miriam?«
Die junge Frau guckte überrascht. »Der Andreas vom Café Maschine? Ah, Sie sind ja auch aus Bruck, natürlich kennen Sie den. Der Mann ist nicht nur ein Feinschmecker, der ist ein Genie. Seit vier Jahren kämpfe ich mit diesem blöden Vollautomaten in unserer Kaffeeküche und nie kommt ein g’scheiter Kaffee raus. Und seit der George Clooney Werbung für Kaffeekapseln macht, wollten unsere Mädels sowieso nur noch den Kaffee trinken – wissen Sie, was das kostet? Siebenmal so viel wie eine gute Bohne! Na und dann kommt der Andreas, schraubt eine Stunde an der Kiste herum, und jetzt stehen unsere fünf Kaffeemaschinen bei ebay drin.«
»Das zahlt der Chef, oder?«, fragte Wondrak.
Miriam sah ihn entgeistert an. »Natürlich, wer sonst. Bei uns sind alle Getränke umsonst. Inklusive Red Bull.«
Wondrak hob abwehrend die Hand, als wollte er sagen › Verschonen Sie mich ‹ , probierte den Kaffee und nickte anerkennend. »Nicht schlecht für einen Vollautomaten.« Es sah ganz danach aus, als würde es eine gute Vernehmung werden.
27. Als es zu spät war
Timo hatte die S-Bahn Richtung München genommen. Es war kurz nach Mitternacht und er saß mit einer Reihe von Nachtschwärmern im Zug, die offensichtlich gerade erst aus dem Bett kamen. Sie hatten den genau entgegengesetzten Pendelrhythmus wie Timo. Mit Bier und Jägermeister glühten sie bereits langsam vor, für eine lange Nacht, die erst mit der ersten S 6 Richtung Starnberg am nächsten Morgen um kurz nach fünf zu Ende gehen sollte. Eine friedliche S-Bahnlinie, die den Wohlstandsnachwuchs auf anständige Art durch die Nacht beförderte. Da wurden keine Sitze aufgeschlitzt, keine Mitreisenden bedroht, keine derben Schimpfworte benutzt, sondern nur die Route des Abends diskutiert und per Handy an die Clique übermittelt. Ständig summte und klingelte es irgendwo, es ging zu, wie am Newsdesk einer Nachrichtenredaktion.
Eine entspannte Stimmung voller Vorfreude, doch in Timo rumorte es. Warum ging Selena nicht ans Telefon? Sie war sauer. Sie hasste seinen Beruf. Sie hasste, was er sich in der Agentur bieten ließ. Es widersprach dem Bild von Timo, dem Helden, das sie sich von ihm erträumt hatte. Sie wusste, dass er großes Talent hatte, die Fähigkeit, die Herzen der Menschen zu erreichen. Doch in den Agenturen, die Timo bisher durchlaufen hatte, war er so fehlbesetzt gewesen wie eine Bachforelle, die sich bei der Jagd nach einer Fliege verschätzt hatte und am Ufer gelandet war. Im Sonnenlicht glänzend, einen verzweifelten Tanz aufführend, entfernte sie sich immer mehr vom Ufer und ihrer angestammten Umgebung, um schließlich zu ersticken. Mit weit aufgespreizten Kiemen, die bereits begannen zusammenzukleben, und einem Maul, das gierig nach Luft zu schnappen schien, inmitten dieser Überfülle an Sauerstoff.
Timo fürchtete ihre Prophezeiungen. Selena wusste viel mehr, als sie ihm verriet, sie hatte eine Verbindung zur Zukunft und ihren Möglichkeiten. Wenn sie ihm Geschichten daraus erzählte, dann nur die schönen Seiten, das Tragische und Böse, das genauso klar vor ihr lag, unterschlug sie. So fühlte Timo immer deutlicher, dass Selena Geheimnisse vor ihm hatte. Sie konnte sie ihm zwar verschweigen, doch Timo fühlte ihre Furcht. Er wollte ihr beistehen und ihr die Angst nehmen, aber das ließ sie nicht zu. Mit Oma Amalia versuchte er ein paar Mal darüber zu sprechen, doch auch sie blieb geheimnisvoll zurückhaltend. Mit ihrem harten, kroatischen Dialekt sagte sie erstaunlich klare Dinge: »Weißt du, Timo: Sein Schicksal kann man nicht teilen. Selena sieht es, du siehst es nicht. Du kannst ihr nicht abnehmen, was sie sieht. Selena kennt ihre Bestimmung, die ist … fest. Aber du bist nicht fest. Du bist frei. Du bist Gestalter. Gestalte dein Leben!«
So wurde die Zeit mit Selena für Timo immer beunruhigender. Er fürchtete, sie morgens allein zu lassen, weil sie abends wieder ein Stückchen weiter voneinander entfernt waren. Es war wie das langsame Ablegen eines großen Schiffes. An Bord spielte die Kapelle ihr Lied und beide hörten die Musik. Aber das Paar
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