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Werbevoodoo

Titel: Werbevoodoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ono Mothwurf
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einem großen, nachnamenfreien Schild am Empfang von SCP und sorgte dafür, dass sich die Menschen, die hier warteten, so zuvorkommend bedient fühlten wie in der Lobby des Hotels Vier Jahreszeiten.
    »Zeitung? Sehe ich aus wie ein Journalist?«, fragte Wondrak.
    »Nein, entschuldigen Sie«, flötete Miriam, »wir haben in der letzten Zeit so viel Presse im Haus wegen der Résistance-Kampagne, da dachte ich, Sie wären auch von einer Zeitung.«
    »Das verstehe ich, die Kampagne ist auch wirklich bemerkenswert. Nein, ich bin Thomas Wondrak von der Kripo Fürstenfeldbruck.«
      »Ah, wegen Timos Freundin, gell. Ach, ist das schlimm, ich begleite Sie in den kleinen Konfi.«
    Wenn das der kleine Konfi ist, wie muss dann erst der große aussehen?, dachte sich Wondrak.
    Die Wände waren nicht mit Raufaser, Glasfaser oder sonstigen Kaschierungen beklebt, sondern makellos glatt gespachtelt. Die Stuckverzierungen, die an den Decken und Wänden angebracht waren, erschienen auf diesen perfekten Flächen wie Muskeln und Adern eines sehnigen, durchtrainierten Körpers. Ein zarter cremefarbener Ton an den Wänden reflektierte das strahlende Sonnenlicht, das durch die alten, sorgfältig renovierten Holzfenster hereinbrach, auf eine milde Art, die nicht blendete. Der moderne ovale Tisch bot Platz für acht Personen, die Flügeltür führte hinaus auf die Terrasse, von der man den Blick über den nördlichen Teil des Starnberger Sees schweifen lassen konnte. Gegenüber ließ sich Schloss Berg erahnen und während Wondrak auf den See hinausschaute, umfing ihn eine angenehme Ruhe. Er sah sich um, doch niemand war im Raum. Waren da Überwachungskameras? Wondrak fühlte sich beobachtet, konnte aber nichts entdecken. Er blickte an sich herunter und fand, dass seine patinierten, gleichwohl sorgfältig geputzten Lederschuhe farblich perfekt mit dem alten Eichenparkett harmonierten. So müsste ein Kommissariat aussehen. Der volkswirtschaftliche Wert einer Mordaufklärung ist allerdings nicht zu vergleichen mit einer 35-Prozent-Aktion für ein Möbelhaus und deshalb residierte die Kripo in einem notdürftig in Schuss gehaltenen Klosterbau und die Werbeagentur in einer Prachtvilla mit Seezugang. Timo Stifter kam herein.
    »Hallo, Herr Kommissar.«
    »Hallo, Herr Stifter. Mein herzliches Beileid. Ich bin Thomas Wondrak.«
    Als sich die beiden Männer die Hände schüttelten, lächelten beide unwillkürlich. Warum? Schwer zu sagen. Sicherlich eine Art der Sympathiebekundung. Dann vermutlich auch der Dank dafür, dass Wondrak einem aussichtslos scheinenden Unterfangen seine Zeit widmete. Und zudem die Bestätigung seiner Ahnung, dass Timo in einem Alter war, in dem Wondraks Sohn heute wohl wäre. »Wie alt sind Sie, Timo?«
    »In einem halben Jahr werde ich 25«, antwortete er pflichtbewusst, als wäre Alter etwas, worauf man hinarbeiten müsste. Oder als müsste er sich selbst motivieren, dieses Alter auch zu erreichen. »Ihr Kollege, Herr Schneiderweiß, betrachtete meine Mordanzeige als reine Zeitverschwendung. Warum kommen jetzt Sie, der Leiter der Mordkommission? Gibt’s neue Erkenntnisse?«
    »Wenn Sie es nicht weitersagen, verrate ich es Ihnen. Charlotte schickt mich. Meine Katze. Sie war mit Ihrer Freundin Selena befreundet und ist deshalb drei Wochen vor deren Tod bei den Thamms eingezogen.«
    »Ah, Charlie, Selena hat von ihr erzählt. Warum haben Sie sie nicht mitgebracht? Die würde ich gern mal kennenlernen.«
    »Nun ja, ich gelte wegen meiner Methoden bei manchen ohnehin längst als seltsamer Kauz. Aber wenn ich jetzt noch mit Polizeikatze zur Befragung erscheine, dann werde ich wohl niemals Kripo-Chef.«
    »Ach wissen Sie, Chef wird man nicht, weil man es will. Sondern weil man den Wunsch loslässt. Sie werden sehen, in zwei Jahren bin ich hier Chef. Will ich das? Nein. Habe ich Ehrgeiz? Nein. Will ich jemanden bestrafen? Ja.«
    »Na ja, so hat jeder seine Motive. Wen wollen Sie bestrafen?«
    »Dieses Werbesystem, das auf Ausbeutung und Verachtung basiert. Ausbeutung von kreativem Talent. Verachtung für Konsumenten, die für grenzdebile Melkware gehalten werden.«
    Die Tür ging auf, und Miriam steckte ihren Kopf herein. »Ach Entschuldigung, Sie sitzen ja auf dem Trockenen – möchten Sie einen Kaffee haben?«
    »Wenn er gut ist, hätte ich gern einen Cappuccino und ein Wasser.«
    Timo bestätigte: »Der ist gut. Für mich bitte das Gleiche, Miriam.«
    Sie lächelte, sagte: »Okay«, und schloss die Tür wieder.
    »Seit einer

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