Werbevoodoo
schwiegen bedeutungsvoll, so als warteten sie darauf, dass Wondrak › toll ‹ sagte.
»Toll«, sagte er, damit es weiterging.
»Vor acht Jahren zog Clara Inninger bei Mann und Tochter aus und in die Wohnung in der Buchenauerstraße ein. Und was glaubt ihr, wer vorher in der Wohnung gelebt hatte?«
»Bitte, Buam, erzählt einfach, was ihr wisst, ich bin eh schon irrsinnig gespannt.« Wondrak riss die Augen weit auf, um die Spannung dramatisch darzustellen. Sophie musste sich zusammenreißen, um nicht loszulachen.
»Wondrak, sag nicht immer Buam zu uns, so können wir nicht ernsthaft zusammenarbeiten.«
»Dann führt euch nicht immer auf wie Buam. Kommt heute noch die Auflösung eures Ratespiels …« An dieser Stelle fügte er unhörbar das Wort › Buam ‹ hinzu.
»Vorher wohnte da Rosemarie Braunstätter. Eine alte Dame, die in der Wohnung gestorben ist. Clara ist eingezogen und hat einfach den Namen an der Tür gelassen. Den Nachbarn hat sie erzählt, sie wäre eine Nichte der Verstorbenen. Sie hat sich selbst komplett neu erfunden, eine neue Identität erschaffen.«
»Und die Papiere? Führerschein? Steuernummer? Sozialversicherungsnummer? Wie hat sie das gemacht?«
»Das muss eine Mischung aus guten Fälschungen und guten Geschichten sein, die sie dazu erfunden hat. Es gibt eine gefälschte Abmeldebestätigung. Irgendjemand im Einwohnermeldeamt muss ihr geglaubt haben. Wer, das lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen, die Anmeldung ist mit einem Fantasienamen unterzeichnet, aber mit einem Originalstempel versehen. Und seitdem hat sie begonnen, als Clara Braunstätter zu existieren.«
»Ein guter Fälscher? Vor acht Jahren? Das kann nur der graue Edi gewesen sein. Ich muss sagen, ihr habt gute Arbeit geleistet …« Er brach den Satz so ab, als würde ein Wort am Ende des Satzes noch fehlen, aber die Buam strahlten trotzdem, als sie das Zimmer verließen. »Und grüßt den grauen Edi schön von mir, wenn ihr ihn befragt«, rief er ihnen hinterher. »Sophie, mir ist gerade was eingefallen«, sagte Wondrak in den Nachhall der geschlossenen Tür hinein. »Bei unserem ersten Kennenlernen im KDD warst du so eigenartig, was war das? Als hättest du irgendwelche Vorbehalte gegen mich, oder Vorurteile, irgendeine Art von vorgefasster Meinung, die keine besonders gute war. Erinnerst du dich?«
»Klar. Ich hatte viel über dich gehört, war richtig glücklich, als ich erfahren hab’, dass ich nach Fürstenfeldbruck versetzt werde. Und dann – ich weiß auch nicht – irgendwie fand ich dich so ironisch, ich hatte das Gefühl, du würdest mich nicht ernst nehmen. Aber warum willst du das überhaupt wissen?«
»Ich will halt alles wissen.«
»Nein, nein – du willst geliebt werden, das ist es. Geh’ WondRRRak, was ist denn das für ein harter Typ von KommissaRRR. Ein KommissaRRR, der geliebt werden will.«
»Du musst das doch wissen, du bist doch auch eine Kommissarin …«
Die junge Frau mit dem Pagenkopf und den Sommersprossen und dem leichten Rotschimmer an den blonden Wimpernspitzen schloss die Augen und wollte geküsst werden.
30. Nicht in meiner Macht
»Hallo, Herr Kommissar, wie geht’s?«, begrüßte ihn Miriam am Empfang von SCP. »Bringen Sie gute Nachrichten, Sie sehen so glücklich aus?«
Wondrak musste lächeln, wenn er an die gestrige Nacht dachte, und das tat er heute Morgen ständig. »Sie sehen aber auch gut aus, Miriam. Wie immer. Könnten Sie mir bitte den Timo Stifter rufen.«
Sie gingen wieder ins kleine Besprechungszimmer und Wondrak kam gleich zum Punkt: »Ich habe Selena in der Gerichtsmedizin in München untersuchen lassen. Dort haben sie nichts gefunden, was auf ein Fremdeinwirken hindeutet. Ein Professor in Hannover, der Experte für synästhetische Phänomene ist, hat sie mit dem besten Hirnscanner der Welt durchleuchtet. Aber beide haben mir leider nur das gesagt, was ich ohnehin längst wusste. Die Todesursache Synästhesie-Kollaps oder wie immer man sie nennen will, existiert in unserem Rechtssystem leider nicht. Es gibt keine Beweise für die Schuld von irgendjemandem. Ich würde Ihnen wirklich gern helfen. Aber es liegt leider nicht in meiner Macht.«
Timo schossen Tränen in die Augen. »Aber was soll ich denn jetzt tun? Ich kenne den Mörder. Das hat Selena doch nicht verdient, dass er frei rumläuft! Dieser Vollarsch.«
»Ich kann mir vorstellen, dass es hart für Sie ist. Aber ich kann nichts tun, außer Ihnen einen Rat zu geben: Versuchen Sie einfach,
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