Werden sie denn nie erwachsen?
gewesen, nur hat man’s damals noch nicht so genau gewußt.«
Eben! Und deshalb bin ich auch jeden Tag mehrere Male hineingestiegen, selbst wenn ich hinterher jedesmal zum Bademeister gehen und mir die Öl- und Teerspuren von den Beinen entfernen lassen mußte. Der war jedoch darauf eingerichtet gewesen und hatte immer schon mit diversen Lappen sowie einer großen Flasche Chemie parat gestanden. Trotzdem war es eine schöne Zeit gewesen damals in Loano, diesem entzückenden kleinen Badeort mit dem jahrhundertealten Ortskern, den verwinkelten Gassen und der herrlichen Palmpromenade. Nur wenige Hotels hatte es gegeben, weiter hinten angesiedelt, damit das historische Stadtbild nicht zerstört wurde. Doch auf Hotels war ich gar nicht angewiesen gewesen. Meine Mutter hatte eine Wohnung im obersten Stock eines Neubaus gehabt mit Sonnenterrasse und Blick zum Meer, nur gemietet natürlich, aber dafür ganzjährig. Im Sommer hatte sie das Touristikbüro geführt, im Winter hatte sie ihre Lire als viel frequentierte Dolmetscherin verdient.
Und ich hatte immer ein kostenloses Urlaubsdomizil gehabt. Wie es wohl jetzt dort aussehen mochte?
»Könnten wir auf dem Rückweg nicht an der italienischen Küste entlang bis nach Genua fahren und dann durch die Poebene und am Vierwaldstädter See vorbei wieder nach Hause?«
»Klar können wir«, sagte Steffi bereitwillig, »in Italien war ich sowieso noch nie.« Sie holte tief Luft. »Heißt das, du machst mit?«
»Zumindest lehne ich es nicht mehr ganz ab.«
»Also ja!«
»Nein, bis jetzt nur vielleicht. Ich muß erst mal drüber schlafen und dann den Familienrat befragen.«
»Da der nur noch aus Papi und Otto besteht, der erstens kein Stimmrecht hat und zweitens mitkommt, sehe ich keinerlei Probleme.«
»Otto soll mit? Der kann doch gar kein Französisch.«
»Jojo auch nicht.«
Zwei Hunde, zwei Frauen, ein Wohnmobil und ein fremdes Land, in dem man eine Sprache spricht, die ich vor vierzig Jahren zwar mal gelernt, dann aber nie wieder gebraucht habe – konnte das denn gutgehen?
Der große Familienrat, vorsichtshalber doch von Stefanie einberufen, meinte ja. Das sei doch mal etwas anderes als so ein vorgefertigter Urlaub mit Hotelreservierung und drei Mahlzeiten täglich.
»Wieso? Brauchen wir diesmal kein Essen?«
»Nimm nicht alles so wörtlich«, tadelte Sascha, »aber ihr könnt euch doch aussuchen, ob ihr selber kocht oder essen geht. In der Provence gibt es auch im kleinsten Nest eine hervorragende Küche.«
»Woher weißt du das?«
»Habe ich gelesen.« Später stellte sich heraus, daß Saschas Lektüre der Guide Michelin gewesen war, in dem tatsächlich einige provenzalische Spezialitäten-Restaurants aufgeführt waren, weit abseits unserer Route und so teuer, daß wir unserer Reisekasse hinterher nicht mal mehr eine Tankfüllung Benzin hätten zumuten können.
Nicht mal Rolf hatte etwas gegen unsere Pläne einzuwenden. Wir sollten ruhig fahren, dann hätte er endlich seine Ruhe, mit der Mikrowelle käme er jetzt auch zurecht, und überhaupt könne er ja Freund Felix für ein paar Tage kommen lassen, der sei nämlich auch solo, weil Marianne im Mai zur Kur müsse. Das allein wäre schon Grund genug gewesen, die Reise wieder abzublasen!
Sascha versprach, ein wachsames Auge auf die beiden Strohwitwer zu haben. Trotzdem wollte er wissen, ob ich nicht etwa mit den Zahlungen für die Hausratversicherung im Rückstand sei.
Aus nicht erklärbaren Gründen erreichen Sven die familiären Neuigkeiten immer erst dann, wenn sie gar nicht mehr neu sind, und deshalb kreuzte er mit seinen diversen Reiseführern und Sehenswürdigkeiten-Sammlungen (es gibt kein Land der Erde, über das Sven nicht irgend etwas Wissenswertes katalogisiert hat) drei Tage – vor unserer Abfahrt auf, als wir die Route schon längst festgelegt hatten. Wir beschäftigten uns bereits mit den handfesteren Vorbereitungen.
»Ihr müßt unbedingt einen Abstecher nach Lyon machen und euch die Aquädukte der gallorömischen …«
»Müssen wir gar nicht, von den Dingern habe ich schon genug gesehen. Steffi, schreib mal Hundefutter auf die Liste.«
»Dann seht euch wenigstens die Kathedrale Saint-Jean an, die stammt aus dem 12. Jahrhundert.«
»Na und? Die in Arles ist noch älter, und da müssen wir sowieso durch. Gehört zum Inventar des Wohnwagens auch ein Schneebesen, oder müssen wir den selber mitnehmen?«
»Erst kommt das Fressen und dann die Kultur«, zitierte Sven frei nach Bert Brecht,
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