Werden sie denn nie erwachsen?
Zimmer kriegt, müssen wir noch ausknobeln, aber aus dem anderen kann man auch was machen. Und das hier vorne nehmen wir als Gemeinschaftsraum mit Eßecke«, bestimmte Katja.
Herr Propkowicz schmunzelte. »Ich habe fast den Eindruck, Ihnen gefällt die Wohnung?«
»Na klar«, kam es unisono zurück. »Die machen wir uns schon zurecht. Würden Sie uns denn als Mieter akzeptieren?«
»
Ich
schon, doch das Haus gehört meiner Schwiegermutter, die hat das letzte Wort.« Er musterte die Mädchen von den Jeans bis zu den etwas wilden Mähnen.
»Aber ich glaube nicht, daß sie etwas gegen Sie einzuwenden hat. Hier im Haus wohnen noch mehr Studenten.«
»Wann könnten wir denn einziehen? Vorausgesetzt, Ihre Schwiegermutter ist einverstanden.«
Herr Propkowicz überlegte. »Heute haben wir den Zweiundzwanzigsten. Ich würde sagen, wir datieren den Mietvertrag auf den fünfzehnten April, aber die Schlüssel bekommen sie schon, sobald meine Schwiegermutter ja gesagt hat. Ein paar Wochen werden Sie ja doch brauchen, um diesen Saustall bewohnbar zu machen. Vorher schicke ich noch einen Elektriker her, damit er die Leitungen überprüft.« Gleich nachher würde er mit seiner Schwiegermutter einen Termin ausmachen, zu dem sich die Zwillinge vorstellen könnten, und dann würde er uns Bescheid geben. »Eigentlich ist das nur eine Formsache, aber die alte Dame legt nun mal Wert darauf. Sonst kümmert sie sich nie um das Haus, den Ärger damit überläßt sie mir.«
Schon zwei Tage später waren die Zwillinge erneut auf dem Weg nach Dossenheim, diesmal in sonst nur feierlichen Gelegenheiten vorbehaltenen Röcken und braven Hemdblusen. Katja hatte ihre Tolle in einem sittsamen französischen Zopf gebändigt, Nicki trug Pferdeschwanz. Sie sahen nicht nur entsetzlich bieder, sie sahen regelrecht verkleidet aus.
»Fürchterlich«, sagte Katja nach einem letzten prüfenden Blick in den Spiegel, »aber was tut man nicht alles für eine Wohnung. Alte Frauen haben nun mal was gegen modisches Outfit.«
Das war auf mich gemünzt! Hatte ich doch kürzlich gewagt, Katjas senfgelben Blazer mit dem großen Überkaro als »reichlich geschmacklos« zu bezeichnen und farbliche Parallelen zu jener Zeit zu ziehen, als ich im BDM-Look herumlaufen und dieses mostrichfarbene, Kletterweste genannte Affenjäckchen tragen mußte.
»Es hat geklappt!« jubelte Nicki ins Telefon. »Wir haben die Schlüssel! Jetzt gehen wir erst mal in die Wohnung zum Ausmessen, und dann besorgen wir gleich Farbe.
Wenn die Zeit reicht, suchen wir auch noch Tapeten aus.
Ich habe übrigens gewonnen!«
»Gewonnen? Was denn?«
»Das größere Zimmer.«
Die Zeit reichte natürlich nicht. Den ganzen Nachmittag lang waren die Mädchen damit beschäftigt, Länge mal Breite mal Höhe abzüglich Dachschräge im Winkel von soundsoviel Grad zu ermitteln und maßstabgerecht auf Millimeterpapier zu übertragen. Daß ihre Berechnungen vorne und hinten nicht stimmten, stellte sich erst heraus, als sie die Möbel plazieren wollten.»Es kann ja vorkommen, daß man sich mal um ein paar Zentimeter irrt, aber doch nicht um ganze anderthalb Meter!«
schimpfte Katja. »Soll Nicki doch sehen, wie sie den Unterschrank wieder los wird, der geht nicht mehr in die Küche rein. Ich hab’ ja gleich gesagt, daß da was nicht stimmen kann, aber sie hat behauptet, sie habe dreimal nachgemessen.«
Doch so weit waren wir noch lange nicht. Nachdem der Streit geschlichtet war, ob die Küche hellblau oder hellgrün gestrichen werden solle – den Ausschlag gab schließlich die Tatsache, daß die grünen Folien, mit denen die unansehnlichen Kacheln überklebt werden sollten, »einfach ätzend« aussahen und nur die blauen in Betracht kamen –, rückte die Malerbrigade an, bestehend aus Stefanie, die ein paar Urlaubstage opferte, und Sven, der schon lange nicht mehr krank gewesen war und fand, er müßte endlich mal die ihm zustehende Grippe nehmen.
Währenddessen räumten die Zwillinge ihre Sparkonten ab und gingen auf Möbelsuche. Als beratende und, wie sie insgeheim hofften, auch mal zahlende Institution durfte ich mitkommen. Zuerst ins Teppichgeschäft. Dort wurden wir gleich in die Resteabteilung verwiesen. »Ich weiß ja nicht, wofür Sie eigentlich die Teppichböden brauchen, denn die Maße sind etwas ungewöhnlich. Sind sie für eine Gartenlaube oder ähnliches gedacht?«
Nach kurzer Inspektion entschied sich Nicki für grauen Velours. »Sonderposten« stand auf der Rolle. »Der ist zwar
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