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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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ihn selbst, oder wider seinen Glauben gerichtet sein. Ruhige Verachtung ist alles, was er ihnen entgegen setzt. Wehe seinem Gegner, der nichts anders hat, womit er ihn bestreite, und ihn doch bestreitet! –
    Will der Herr Hauptpastor aber auch zugleich dieses: so geht er mit Pfiffen um, deren sich nur eine theologische Memme schuldig macht; und jeder muß sich ihm widersetzen, dem die Wahrheit der christlichen Religion am Herzen liegt. – Denn wie? So hat die christliche Religion kranke Stellen, die schlechterdings keine Betastung dulden? die man selbst der Luft nicht auslegen darf? Oder hat sie keine solche Stellen: warum sollen ihre Freunde immer und ewig den Vorwurf hören, »daß man nur nicht alles sagen dürfe, was man gegen sie sagen könnte?« Dieser Vorwurf ist so erniedrigend, ist so marternd! Ich wiederhole es: nur eine theologische Memme kann ihm nicht ein Ende gemacht zu sehen wünschen, kann durch ihr Betragen länger dazu berechtigen. Nicht, daß mir der Theologische Renommist lieber wäre, welcher mitten vom Pflaster dem leutescheuen Freigeiste, der sich an den Häusern hinschleicht, ein Schnippchen schlägt, und trotzig zuruft: »komm heraus, wenn du was hast!« Ich kann beide nicht leiden; und das sonderbarste ist, daß auch hier nicht selten Memme und Renommist in Einer Person sind. Sondern ich glaube, daß der wahre Christ weder den einen noch den andern spielt: zu mißtrauisch auf seine Vernunft; zu stolz auf seine Empfindung. –
    So viel gegen die Foderung des Herrn Hauptpastors, im Allgemeinen betrachtet. Ich komme auf den einzeln Fall, den er dabei im Sinne hat. Denn mein Ungenannter muß es doch wohl sein sollen, der sich einer Freiheit bedienet, die er nicht haben müßte.
    Aber wo hat er sich denn ihrer bedienet? Wo hat er denn die Apostel als Dummköpfe, Bösewichter, Leichenräuber gelästert? Ich biete dem Herrn Hauptpastor Trotz, mir eine einzige Stelle in den Fragmenten zu zeigen, wo er mit solchen Ehrentiteln um sich wirft. Der Herr Hauptpastor sind es einzig und allein selbst, dem sie hier zuerst über die Zunge, oder aus der Feder, – zuerst in die Gedanken gekommen. Er, er mußte, im Namen des Ungenannten, die Apostel lästern, damit er den Ungenannten lästern könne.
    Und daß man ja nicht glaube, als ob ich meinen Ungenannten bloß damit schützen wolle, daß jene Ehrentitel nicht buchstäblich bei ihm zu finden! Mein Ungenannter hat sogar nichts von den Aposteln positiv behauptet, was sie derselben würdig machen könnte; nirgends ihnen den Gehalt derselben gerade auf den Kopf zugesagt.
    Es ist nicht wahr, daß mein Ungenannter schlechthin sagt: »Christus ist nicht auferstanden, sondern seine Jünger haben seinen Leichnam gestohlen.« Er hat die Apostel dieses Diebstahls weder überwiesen, noch überweisen wollen. Er sahe zu wohl ein, daß er sie dessen nicht überweisen könne. Denn ein Verdacht, selbst ein höchstwahrscheinlicher Verdacht, ist noch lange kein Beweis.
    Mein Ungenannter sagt bloß: dieser Verdacht, welchen sein Gehirn nicht ausgebrütet, welcher sich aus dem Neuen Testamente selbst herschreibt, dieser Verdacht sei durch die Erzählung des Matthäus von Bewahrung des Grabes, nicht so völlig gehoben und widerlegt, daß er nicht noch immer wahrscheinlich und glaublich bleibe; indem besagte Erzählung nicht allein ihrer innern Beschaffenheit nach höchst verdächtig, sondern auch ein apax legomenon sei, dergleichen in der Geschichte überhaupt nicht viel Glauben verdiene; und hier destoweniger, weil sich selbst diejenigen nie darauf zu berufen getrauet, denen an der Wahrheit derselben am meisten gelegen gewesen.
    Wer sieht nun nicht, daß es sonach hier weniger auf die Wahrheit der Sache, als auf die glaubwürdige Art der Erzählung ankömmt? Und da die Erzählung einer sehr wahren Sache sehr unglaublich sein kann: wer erkennt nicht, daß diese Unglaublichkeit jener Wahrheit nur in so weit präjudiziert, als man die Wahrheit einzig und allein von der Erzählung will abhangen lassen?
    Doch gesetzt auch, mein Ungenannter hätte sich in diesen Grenzen nicht gehalten, er hätte nicht bloß zeigen wollen, was jeder gute Katholik ohne Anstoß glauben und behaupten kann, daß in der schriftlichen Erzählung der Evangelisten und Apostel einzig und allein, gewisse heilige Begebenheiten so ungezweifelt nicht erscheinen, daß sie nicht noch einer anderweitigen Bekräftigung bedürfen; gesetzt, er hätte das wahrscheinliche für wahr, das glaubliche für unleugbar

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