Werke
gehalten, er hätte es schlechterdings für ausgemacht gehalten, daß die Apostel den Leichnam Jesu entwendet: so bin ich auch sodann noch überzeugt, daß er diesen Männern, durch welche gleichwohl so unsäglich viel Gutes in die Welt gekommen, wie er selbst nicht in Abrede ist, daß er, sage ich, diesen uns in aller Absicht so teuren Männern, die schimpflichen Namen Betrüger, Bösewichter, Leichenräuber würde erspart haben, die dem Herrn Hauptpastor so geläufig sind.
Und zwar würde er sie ihnen nicht bloß aus Höflichkeit erspart haben; nicht bloß aus Besorglichkeit, das Kalb, wie man zu sagen pflegt, zu sehr in die Augen zu schlagen: sondern er würde sie ihnen erspart haben, weil er überzeugt sein mußte, daß ihnen zu viel damit geschähe.
Denn wenn es schon wahr ist, daß moralische Handlungen, sie mögen zu noch so verschiednen Zeiten, bei noch so verschiednen Völkern vorkommen, in sich betrachtet immer die nämlichen bleiben: so haben doch darum die nämlichen Handlungen nicht immer die nämlichen Benennungen, und es ist ungerecht, irgend einer eine andere Benennung zu geben, als die, welche sie zu ihren Zeiten, und bei ihrem Volk zu haben pflegte.
Nun ist es erwiesen und ausgemacht, daß die ältesten und angesehnsten Kirchenväter einen Betrug, der in guter Absicht geschiehet, für keinen Betrug gehalten, und diese nämliche Denkungsart den Aposteln beizulegen, sich kein Bedenken gemacht haben. Wer diesen Punkt von einem unverdächtigen Theologen selbst, belegt und aufs Reine gebracht lesen will, der lese Ribovs Programm de Oeconomia patrum. Die Stellen sind unwidersprechlich, die Ribov daselbst mit Verschwendung zusammen trägt, um zu beweisen, daß die Kirchenväter fast ohne Ausnahme der festen Meinung gewesen, integrum omnino Doctoribus et coetus Christiani Antistitibus esse, ut dolos versent, falsa veris intermisceant et imprimis religionis hostes fallant, dummodo veritatis commodis et utilitati inserviant. Auch sind die Stellen der andern Art, wo die Kirchenväter den Aposteln selbst eine dergleichen oikonomian, eine dergleichen falsitatem dispensativam beilegen, eben so unleugbar. Was Hieronymus unter andern vom h. Paulus versichert, (9) ist so naiv , daß es dem naiven Ribov selbst auffällt, darum aber nicht weniger die wahre Meinung des Hieronymus bleibt.
Man sage nicht, daß diese uns itzt so befremdende Vorstellung von der Aufrichtigkeit der ersten Kirchenväter und Apostel, bloße Vorteile der Auslegungskunst, bloßen Wörterkram betreffe. Worte und Handlungen liegen nicht so weit auseinander, als man insgemein glaubt. Wer fähig ist, eine Schriftstelle wider besser Wissen und Gewissen zu verdrehen, ist zu allem andern fähig; kann falsch Zeugnis ablegen, kann Schriften unterschieben, kann Tatsachen erdichten, kann zu Bestätigung derselben jedes Mittel für erlaubt halten.
Gott bewahre mich, daß ich zu verstehen geben sollte, daß die Apostel zu diesem allen fähig gewesen, weil sie die Kirchenväter zu einem für fähig gehalten! Ich will nur die Frage veranlassen: ob in eben dem Geiste, in welchem wir itzt in Ansehung dieses einen über sie urteilen, ein billiger Mann allenfalls nicht auch in Ansehung des übrigen urteilen müßte, wenn es ihnen wirklich zur Last fiele?
Und so ein billiger Mann war mein Ungenannter allerdings. Er hat keine Schuld, die in leichtem Gelde gemacht war, in schwerem wiedergefodert. Er hat kein Verbrechen, welches unter nachsehendern Gesetzen begangen war, nach spätern geschärfteren Gesetzen gerichtet. Er hat keine Benennung, die dem Abstracto der Tat zu ihrer Zeit nicht zukam, dem Concreto des Täters zu unsrer Zeit beigelegt. Er hat immer in seinem Herzen dafür halten können, daß wir betrogen sind: aber er hat sich wohl gehütet zu sagen, daß wir von Betrügern betrogen sind.
Vielmehr spielt jeder, welcher meinen Ungenannten dieses letztere sagen läßt, weil er ihn überführen kann, daß er das erstere geglaubt habe, selbst einen Betrug, um einen Pöbel in Harnisch zu bringen, der keinen Unterschied zu machen fähig ist. Ob aber diese Absicht auch zu den Absichten gehört, die einen Betrug entschuldigen, das lasse ich dahin gestellt sein. Ich sehe wenigstens den Nutzen, der daraus entspringen soll, noch nicht ein; und ich muß erst erfahren, ob selbst der Pöbel itziger Zeit nicht schon klüger und vernünftiger ist, als die Prediger, die ihn so gern hetzen möchten.
Herr Goeze weiß sehr wohl, daß mein Ungenannter eigentlich nur
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