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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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ich, oder äußerte ich doch, den Umstand noch nicht, den ich zur Entschuldigung eines Unternehmens, bei welchem ich darauf keine Rücksicht nahm oder nehmen konnte, hier brauchen zu wollen scheine. Ich wußte oder äußerte noch nicht, daß das Buch ganz vorhanden sei, an mehrern Orten vorhanden sei, und in der Handschrift darum keinen geringern Eindruck mache, weil der Eindruck nicht in die Augen falle. Aber ich scheine auch nur, mich dieses Umstandes zu meiner Rechtfertigung bedienen zu wollen.
    Ich bin ohne ihn dadurch gerechtfertigt genug, daß ich, als ich einmal eine sehr unschuldige Stelle aus dem Werke meines Ungenannten gelegentlich bekannt gemacht hatte, aufgefodert wurde, mehr daraus mitzuteilen. Ja ich will noch mehr Blöße geben.
    Ich will gerade zu bekennen, daß ich auch ohne alle Auffoderung würde getan haben, was ich getan habe. Ich würde es vielleicht nur etwas später getan haben.
    Denn einmal habe ich nun eine ganz abergläubische Achtung gegen jedes geschriebene, und nur geschrieben vorhandene Buch, von welchem ich erkenne, daß der Verfasser die Welt damit belehren oder vergnügen wollen. Es jammert mich, wenn ich sehe, daß Tod oder andere dem tätigen Manne nicht mehr und nicht weniger willkommene Ursachen, so viel gute Absichten vereiteln können; und ich fühle mich so fort in der Befassung, in welcher sich jeder Mensch, der dieses Namens noch würdig ist, bei Erblickung eines ausgesetzten Kindes befindet. Er begnügt sich nicht, ihm nur nicht vollends den Garaus zu machen; es unbeschädigt und ungestört da liegen zu lassen, wo er es findet: er schafft oder trägt es in das Findelhaus, damit es wenigstens Taufe und Namen erhalte. Eines denn freilich wohl lieber als das andere: nach dem ihm das eine mehr angelächelt, als das andere; nach dem ihm das eine den Finger mehr gedrücket, als das andere.
    Gerade so wünschte ich wenigstens – Denn was wäre es nun, wenn auch darum noch so viel Lumpen mehr, dergestalt verarbeitet werden müßten, daß sie Spuren eines unsterblichen Geistes zu tragen fähig würden? – wünschte ich wenigstens, alle und jede ausgesetzte Geburten des Geistes, mit eins in das große für sie bestimmte Findelhaus der Druckerei bringen zu können: und wenn ich deren selbst nur wenige wirklich dahin bringe, so liegt die Schuld gewiß nicht an mir allein. Ich tue was ich kann; und jeder tue nur eben so viel. Selbst die Ursache liegt oft in mir nicht allein, warum ich eher diese als jene hinbringe, warum ich mir von dem gesundern und freundlichern Findlinge den Finger umsonst muß drücken lassen: sondern es wirken auch hier meistens so viel kleine unmerkliche Ursachen zusammen, daß man mit Recht sagen kann, habent sua fata libelli.
    Aber nie habe ich diese meine Schwachheit, – wodurch ich, ich weiß nicht ob ich sagen soll, zum Bibliothekar geboren, oder zum Bibliothekar von der Natur verwahrloset bin, – nie habe ich diese meine Schwachheit denken können, ohne meine individuelle Lage glücklich zu preisen. Ich bin sehr glücklich, daß ich hier Bibliothekar bin, und an keinem andern Orte. Ich bin sehr glücklich, das ich dieses Herrn Bibliothekar bin, und keines andern. –
    Unter den heidnischen Philosophen, welche in den ersten Jahrhunderten wider das Christentum schrieben, muß ohne Zweifel Porphyrius der gefährlichste gewesen sein, so wie er, aller Vermutung nach, der scharfsinnigste und gelehrteste war. Denn seine 15 Bücher κατα χριστιανων sind, auf Befehl des Constantinus und Theodosius, so sorgsam zusammengesucht und vernichtet worden, daß uns auch kein einziges kleines Fragment daraus übrig geblieben. Selbst die dreißig und mehr Verfasser, die ausdrücklich wider ihn geschrieben hatten, worunter sich sehr große Namen befinden, sind darüber verloren gegangen; vermutlich weil sie zu viele und zu große Stellen ihres Gegners, der nun einmal aus der Welt sollte, angeführet hatten. – Wenn es aber wahr sein sollte, was Isaac Vossius den Salvius wollen glauben machen (11) , daß dem ohngeachtet noch irgendwo ein Exemplar dieser so fürchterlichen Bücher des Porphyrius vorhanden sei; in der Mediceischen Bibliothek zu Florenz nämlich, wo es aber so heimlich gehalten werde, daß niemand es lesen, niemand das geringste der Welt daraus mitteilen dürfe: wahrlich, so möchte ich dort zu Florenz nicht Bibliothekar sein, und wenn ich Großherzog zugleich sein könnte. Oder vielmehr, ich möchte es nur unter dieser Bedingung sein, damit ich

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