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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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Hauptpastor fährt fort: »Es wird solches nötig sein, um die Lehrer in Otem zu erhalten« – So? nur darum? So soll alle Bestreitung der Religion nur eine Schulübung, nur ein Spiegelgefechte sein? Sobald der Präses dem Opponenten einen Wink gibt; sobald der Opponent merkt, daß der Respondent nichts zu antworten haben werde, und daß den Herrn Präses zu sehr hungert, als daß dieser selbst, mit gehöriger Ruhe und Umständlichkeit, darauf antworten könne: muß die Disputation aus sein? müssen Präses und Opponent freundschaftlich mit einander zum Schmause eilen? – Doch wohl, nein: denn der Herr Hauptpastor setzt ja noch hinzu: »und um solche Zeiten der Ruhe zu verhüten, unter welchen die Christenheit von dem 9ten bis zum 15ten Jahrhundert beinahe völlig zu Grunde gegangen wäre.« – Vortrefflich! Aber weiß der Herr Hauptpastor wohl, daß selbst in diesen barbarischen Zeiten doch noch mehr Einwürfe gegen die christliche Religion gemacht wurden, als die Geistlichen zu beantworten Lust hatten? Bedenkt er wohl, daß diese Zeiten nicht darum der christlichen Religion so verderblich wurden, weil niemand Zweifel hatte: sondern darum, weil sich niemand damit an das Licht getrauen durfte? darum, weil es Zeiten waren, wie der Herr Hauptpastor will, daß unsere werden sollen?
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Anti-Goeze
Fünfter
    Cognitio veritatis omnia falsa, si modo proferantur, etiam quae prius inaudita erant, et dijudicare et subvertere idonea esti.
    Augustinus ad Dioscorum
    O glückliche Zeiten, da die Geistlichkeit noch alles in allem war, – für uns dachte und für uns aß! Wie gern brächte euch der Herr Hauptpastor im Triumphe wieder zurück! Wie gern möchte er, daß sich Deutschlands Regenten zu dieser heilsamen Absicht mit ihm vereinigten! Er predigt ihnen süß und sauer, er stellt ihnen Himmel und Hölle vor. Nun, wenn sie nicht hören wollen: so mögen sie fühlen. Witz und Landessprache sind die Mistbeete, in welchen der Same der Rebellion so gern und so geschwind reifet. Heute ein Dichter: morgen ein Konigsmörder. Clement, Ravaillac, Damiens sind nicht in den Beichtstühlen, sind auf dem Parnasse gebildet.
    Doch auf diesem Gemeinorte des Herrn Hauptpastors lasse ich mich wohl wieder ein andermal treffen. Itzt will ich nur, wem es noch nicht klar genug ist, vollends klar machen, daß Herr Goeze schlechterdings nicht gestattet, was er zu gestatten scheinet; und daß eben das die Klauen sind, die der Tiger nur in das hölzerne Gitter schlagen zu können, sich so ärgert.
    Ich sage nämlich: es ist mit seiner Erlaubnis, Einwürfe gegen Religion und Bibel, gegen das, was er Religion und Bibel nennt, machen zu dürfen, nur Larifari. Er gibt sie und gibt sie nicht: denn er verklausuliert sie von allen Seiten so streng und rabulistisch, daß man sich, Gebrauch davon zu machen, wohl hüten muß.
    Die Klausel, in Ansehung der Sprache, habe ich genugsam beleuchtet. Auch habe ich die Klausel in Ansehung der Personen und der Absicht, berühret. Aber noch ist die Klausel in Ansehung der Punkte selbst übrig, welche die Einwürfe nur sollen treffen können; und diese verdient um so mehr, daß wir uns einen Augenblick dabei verweilen, je billiger sie klingt, je weniger man, dem ersten Ansehen nach, etwas dagegen einzuwenden haben sollte.
    »Nur müßte«, sind die Worte des Herrn Hauptpastors, »der angreifende Teil die Freiheit nicht haben, die heiligen Männer Gottes, von welchen die ganze Christenheit glaubt, daß sie geredet und geschrieben haben, getrieben von dem heiligen Geiste, als Dummköpfe, als Bösewichter, als Leichenräuber zu lästern.«
    Wie gesagt, dieses klingt so billig, daß man sich fast schämen sollte, eine Erinnerung dagegen zu machen. Und doch ist es im Grunde mehr nicht, als Pfiff, oder Armseligkeit. Denn verstehen wir uns nur erst recht!
    Will der Herr Hauptpastor bloß, daß der angreifende Teil die Freiheit nicht haben müßte, dergleichen Schimpfworte, als er ihm in den Mund legt, anstatt aller Gründe, zu gebrauchen? Oder will er zugleich, daß der angreifende Teil auch die Freiheit nicht haben müßte, solche Dinge und Tatsachen zu berühren, aus deren Erweisung erst folgen würde, daß den Aposteln jene Benennungen gewissermaßen zukommen? Das ist die Frage, deren er sich wohl nicht versehen hat.
    Will er bloß jenes: so ist seine Forderung höchst gerecht; aber sie betrifft eine Armseligkeit, über die sich der Christ lieber hinwegsetzt. Leere Schimpfworte bringen ihn nicht auf; sie mögen wider

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