Werke
dieser gibt es gar keine. Jede andere Glückseligkeit des Staats, bei welcher auch noch so wenig einzelne Glieder leiden, und leiden müssen, ist Bemäntelung der Tyrannei. Anders nichts!
Ernst
. Ich möchte das nicht so laut sagen.
Falk
. Warum nicht?
Ernst
. Eine Wahrheit, die jeder nach seiner eignen Lage beurteilet, kann leicht gemißbraucht werden.
Falk
. Weißt du, Freund, daß du schon ein halber Freimäurer bist?
Ernst
. Ich?
Falk
. Du. Denn du erkennst ja schon Wahrheiten, die man besser verschweigt.
Ernst
. Aber doch sagen könnte.
Falk
. Der Weise kann nicht sagen, was er besser verschweigt.
Ernst
. Nun, wie du willst! – Laß uns auf die Freimäurer nicht wieder zurück kommen. Ich mag ja von ihnen weiter nichts wissen.
Falk
. Verzeih! – Du siehst wenigstens meine Bereitwilligkeit, dir mehr von ihnen zu sagen.
Ernst
. Du spottest. – – Gut! das bürgerliche Leben des Menschen, alle Staatsverfassungen sind nichts als Mittel zur menschlichen Glückseligkeit. Was weiter?
Falk
. Nichts als Mittel! Und Mittel menschlicher Erfindung; ob ich gleich nicht leugnen will, daß die Natur alles so eingerichtet, daß der Mensch sehr bald auf diese Erfindung geraten müssen.
Ernst
. Dieses hat denn auch wohl gemacht, daß einige die bürgerliche Gesellschaft für Zweck der Natur gehalten. Weil alles, unsere Leidenschaften und unsere Bedürfnisse, alles darauf führe, sei sie folglich das Letzte, worauf die Natur gehe. So schlossen sie. Als ob die Natur nicht auch die Mittel zweckmäßig hervorbringen müssen! Als ob die Natur mehr die Glückseligkeit eines abgezogenen Begriffs – wie Staat, Vaterland und dergleichen sind – als die Glückseligkeit jedes wirklichen einzeln Wesens zur Absicht gehabt hätte!
Falk
. Sehr gut! Du kömmst mir auf dem rechten Wege entgegen. Denn nun sage mir; wenn die Staatsverfassungen Mittel, Mittel menschlicher Erfindungen sind: sollten sie allein von dem Schicksale menschlicher Mittel ausgenommen sein?
Ernst
. Was nennst du Schicksale menschlicher Mittel?
Falk
. Das, was unzertrennlich mit menschlichen Mitteln verbunden ist; was sie von göttlichen unfehlbaren Mitteln unterscheidet.
Ernst
. Was ist das?
Falk
. Daß sie nicht unfehlbar sind. Daß sie ihrer Absicht nicht allein öfters nicht entsprechen, sondern auch wohl gerade das Gegenteil davon bewirken.
Ernst
. Ein Beispiel! wenn dir eines einfällt.
Falk
. So sind Schiffahrt und Schiffe Mittel in entlegene Länder zu kommen; und werden Ursache, daß viele Menschen nimmermehr dahin gelangen.
Ernst
. Die nämlich Schiffbruch leiden, und ersaufen. Nun glaube ich dich zu verstehen. – Aber man weiß ja wohl, woher es kömmt, wenn so viel einzelne Menschen durch die Staatsverfassung an ihrer Glückseligkeit nichts gewinnen. Der Staatsverfassungen sind viele; eine ist also besser als die andere; manche ist sehr fehlerhaft, mit ihrer Absicht offenbar streitend; und die beste soll vielleicht noch erfunden werden.
Falk
. Das ungerechnet! Setze die beste Staatsverfassung, die sich nur denken läßt, schon erfunden; setze, daß alle Menschen in der ganzen Welt diese beste Staatsverfassung angenommen haben: meinst du nicht, daß auch dann noch, selbst aus dieser besten Staatsverfassung, Dinge entspringen müssen, welche der menschlichen Glückseligkeit höchst nachteilig sind, und wovon der Mensch in dem Stande der Natur schlechterdings nichts gewußt hätte?
Ernst
. Ich meine: wenn dergleichen Dinge aus der besten Staatsverfassung entsprängen, daß es sodann die beste Staatsverfassung nicht wäre.
Falk
. Und eine bessere möglich wäre? – Nun, so nehme ich diese Bessere als die Beste an: und frage das Nämliche.
Ernst
. Du scheinest mir hier bloß von vorne herein aus dem angenommenen Begriffe zu vernünfteln, daß jedes Mittel menschlicher Erfindung, wofür du die Staatsverfassungen samt und sonders erklärest, nicht anders als mangelhaft sein könne.
Falk
. Nicht bloß.
Ernst
. Und es würde dir schwer werden, eins von jenen nachteiligen Dingen zu nennen –
Falk
. Die auch aus der besten Staatsverfassung notwendig entspringen müssen? – O zehne für eines.
Ernst
. Nur eines erst.
Falk
. Wir nehmen also die beste Staatsverfassung für erfunden an; wir nehmen an, daß alle Menschen in der Welt in dieser besten Staatsverfassung leben: würden deswegen alle Menschen in der Welt, nur einen Staat ausmachen?
Ernst
. Wohl schwerlich. Ein so ungeheurer Staat würde keiner Verwaltung fähig sein. Er müßte
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