Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
Vom Netzwerk:
Michailowna zu verlassen, deren Gesichtsausdruck sich beim Anblicke ihres Mannes verändert hatte. Auch sie ahnte Übles. Endlich trat das ein, worauf ich mit solcher Bangigkeit wartete.
    Inmitten des tiefen Stillschweigens hob ich die Augen auf, und mein Blick begegnete den Brillengläsern Pjotr Alexandrowitschs, die gerade auf mich gerichtet waren. Dies war so unerwartet, daß ich zusammenfuhr, beinah aufschrie und die Augen niederschlug. Alexandra Michailowna bemerkte meine Aufregung.
    „Was ist Ihnen? Warum werden Sie so rot?“ fragte Pjotr Alexandrowitsch in scharfem, unhöflichem Tone.
    Ich schwieg; mein Herz pochte so heftig, daß ich kein Wort herausbringen konnte.
    „Warum ist sie so rot geworden? Warum wird sie immer rot?“ fragte er, sich an Alexandra Michailowna wendend, indem er in ungezogener Manier auf mich hinwies.
    Die Empörung benahm mir den Atem. Ich warf Alexandra Michailowna einen flehenden Blick zu. Sie verstand mich. Ihre blassen Wangen überzogen sich mit dunkler Glut.
    „Anneta“, sagte sie zu mir in so festem Tone, wie ich es gar nicht von ihr erwartet hätte; „geh auf dein Zimmer; ich werde gleich zu dir kommen; wir wollen den Abend über zusammenbleiben...“
    „Ich habe Sie etwas gefragt; haben Sie es gehört oder nicht?“ unterbrach Pjotr Alexandrowitsch seine Frau, indem er seine Stimme noch mehr erhob und tat, als hätte er gar nicht gehört, was sie gesagt hatte. „Warum erröten Sie, wenn Sie mit mir zusammenkommen? Antworten Sie!“
    „Weil Sie sie zum Erröten bringen, und mich ebenfalls“, antwortete Alexandra Michailowna; die Stimme versagte ihr fast vor Aufregung.
    Ich blickte Alexandra Michailowna erstaunt an. Daß sie ihrem Manne ohne weiteres so scharf antwortete, war mir unbegreiflich.
    „Ich bringe Sie zum Erröten, ich?“ versetzte Pjotr Alexandrowitsch, der gleichfalls vor Verwunderung außer sich zu sein schien, und legte dabei einen starken Nachdruck auf das Wort „ich“. „Habe ich Ihnen etwa durch mein Verhalten Anlaß gegeben, schamrot zu werden? Ihnen kommt es zu, schamrot zu werden, nicht mir; meinen Sie nicht?“ Diese Worte waren für mich so verständlich und wurden mit so grausamem, giftigem Hohne gesprochen, daß ich vor Schreck aufschrie und zu Alexandra Michailowna hinstürzte. Erstaunen, Schmerz, Vorwurf und Angst malten sich auf ihrem leichenblaß gewordenen Gesichte. Ich blickte nach Pjotr Alexandrowitsch hin und faltete mit flehender Miene die Hände. Er schien selbst zur Besinnung zu kommen; aber die Wut, die ihm diese Worte ausgepreßt hatte, war noch nicht vorüber. Als er jedoch meine stumme Bitte bemerkte, wurde er verlegen. Meine Gebärde besagte deutlich, daß ich vieles von dem wußte, was zwischen ihnen bisher Geheimnis gewesen war, und daß ich seine Worte sehr gut verstanden hatte.
    „Anneta, geh auf dein Zimmer!“ wiederholte Alexandra Michailowna mit schwacher, aber fester Stimme und stand vom Stuhle auf. „Ich muß notwendig mit Pjotr Alexandrowitsch reden...“
    Sie war anscheinend ruhig; aber diese Ruhe ängstigte mich mehr als jede Aufregung. Ich blieb wie angewurzelt auf meinem Platze, als hätte ich ihre Worte nicht gehört. Mit Aufbietung aller Kraft bemühte ich mich, auf ihrem Gesichte zu lesen, was in diesem Augenblicke in ihrer Seele vorging. Es schien mir, daß sie weder meinen Aufschrei noch meine Gebärde richtig verstanden hatte.
    „Sehen Sie! Das haben Sie angerichtet, mein Fräulein!“ sagte Pjotr Alexandrowitsch, indem er mich am Arm ergriff und auf seine Frau wies.
    O Gott! Ich hatte niemals eine solche Verzweiflung gesehen, wie ich sie jetzt auf diesem tiefunglücklichen, leichenblassen Gesichte sah. Er faßte mich an der Hand und führte mich aus dem Zimmer. Ich warf noch einen letzten Blick nach ihr zurück. Alexandra Michailowna stand, mit dem Ellbogen auf den Kamin gestützt, da und preßte sich den Kopf mit beiden Händen zusammen. Die gesamte Haltung ihres Körpers bekundete unerträgliche Qual. Ich ergriff Pjotr Alexandrowitschs Hand und drückte sie mit heißer Bitte.
    „Um Gottes willen! Um Gottes willen!“ sagte ich mit stockender Stimme. „Schonen Sie sie!“
    „Seien Sie unbesorgt, seien Sie unbesorgt!“ erwiderte er, mich mit einem seltsamen Blicke ansehend. „Es hat nichts zu bedeuten; es ist nur ein Anfall. Gehen Sie nur, gehen Sie nur!“
    Als ich in mein Zimmer kam, warf ich mich auf das Sofa und verbarg das Gesicht in den Händen. Volle drei Stunden verbrachte ich in dieser

Weitere Kostenlose Bücher