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Werther, der Werwolf - Roman

Titel: Werther, der Werwolf - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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auch sie sagt nichts, ich gehe vors Haus; aufsitzend ist meineVerletzung kaum noch zu spüren.
    Sie kommt nach und streckt die Hand zu mir empor.
    – Eins noch! Ein Medaillon baumelt an derbem Lederband. Die Zeit bis zum drittenVollmond wird eine grause Prüfung für Euch. Der trotzige Mensch in Euch wehrt sich gegen den mächtigerenWolf, es ist ein Kampf des Blutes. Sie drängt mich, dasAmulett zu nehmen. – Damit könnt Ihr die Schmerzen lindern.
    Ich fass es.Aus einer alten Münze wurde derTalisman gefertigt; die Prägung mag ein königliches Gesicht darstellen, einen Herrscher, der vor unzähligen Monden das Geschlecht der Dämonenwölfe gründete.
    – Legt es um Euren Hals, fährt die Heilerin fort, es lindert die Pein derWandlung. Sie stockt, ich ermuntere sie, weiterzusprechen.
    – Seit der Zeit, die Ihr in unserer Gegend wandelt, hege ich einenWunsch, eine heimliche Bitte an Euch.
    – Sprecht sie aus, gute Frau, sag ich vom Pferd herab.
    – Daß Ihr mich beißen mögt.
    – Beißen? Ich weiß im Moment nicht, worin der Sinn ihrerWorte liegt.
    – Mit mir geht es bald zu Ende, antwortet sie, ich habe sichere Zeichen, und fühl es zudem. In mir ist keineAngst vorm Sterben, doch durch den Biß desAuserwählten, der Ihr seid, könnte ich weiterleben, neugeboren, in neuer Gestalt.
    – Ihr wollt, daß ich –? Ich ziehe am Zügel, da der Braune unruhig wird.
    Zum zweiten Mal streckt sie die Hand hoch. – Ein kleiner Biß, Herr, was kostet Euch der schon?
    Berührt, doch angewidert, wende ich den Kopf. – Ich kann das nicht tun. Ich sehe sie dringlich an. –Wollt Ihr sagen, wen immer ich beiße, der erfährt den gleichen Fluch wie ich selbst?
    Sie bejaht es, da fällt mir die Erinnerung bei, als ich meine Zähne inAlberts Stiefel geschlagen. Sind sie durchgedrungen, habe ich den Guten verletzt, istAlbert in Gefahr?
    Die Heilerin zieht die Hand zurück, nickt traurig und versteht. – Reitet wohl, sagt sie, stellt Euch Eurem Schicksal, und die Geister desWaldes seien mit Euch.
    Ich neige vor der Merkwürdigen das Haupt. – So will ich also von LottenAbschied nehmen für immer. Steh mir bei, mein dämonischer Freund.
    Und Nero schließt sich mir willig an, diesmal geht es zum Jagdhaus hin.

Am selbigen Abend
    Manchen Umweg bringe ich hinter mich, Freund, bevor ich ans Ziel des traurigen Ganges komme. Gedankenschwer, tief in meinem Inneren versunken, lasse ich dem Braunen die Zügel, er versteigt sich in die Sumpfwiesen, aus denen ich nur mit Neros Hilfe herausfinde. Schließlich, es dunkelt schon, taucht das Jagdhaus auf, sie tun bereits Licht in die Fenster.
    Ich stehe auf derTerrasse unter den Kastanienbäumen und sehe der Sonne nach, die mir zum letzten Mal über dem lieblichenTal, dem sanften Fluße untergeht. So oft bin ich hier gestanden, mit ihr, und hab ebendem Schauspiel zugesehen, und nun – ich gehe dieAllee auf und ab, die mir so wert ist.Von hier hast du zwischen Kastanienbäumen eine weiteAussicht – ich habe Dir, denk ich, schon viel davon geschrieben; wie hohe Buchenwände einen endlich umschließen und durch ein daran stoßendes Boskett dieAllee düsterer wird, bis zuletzt alles in einem geschlossenen Plätzchen endigt, das Schauer der Einsamkeit umschweben. Ich ahne, was für ein Schauplatz das heute noch werden soll, vollTrauer und Schmerz.
    Ich habe mich etwa eine halbe Stunde in schmachtend süßen Gedanken desAbscheidens geweidet – Nero liegt unter einem Baume –, als ich die beiden dieTerrasse heraufsteigen höre. Lotte im weißen Kleid,Albert trägt hochgeschlossenes Dunkelblau und führt sie amArm. Ich such zu erspähn, ob er vielleicht hinkt oder einVerband sein Bein entstellt, doch mir scheint, der Kampf vergangener Nacht hat keine Spur an ihm gelassen.
    Ich laufe ihnen entgegen, mit einem Schauer fasse ich Lottens Hand und küsse sie. Zu dritt gehen wir weiter, sogleich beginnt die Süße vom Spuk der vergangenen Nacht zu berichten.Von einemTeufelstier redet Charlotte, einem Höllenhund, der Hades’ Reich entlaufen sein muß. Heimlich wende ich den Kopf: Nero hat sich lautlos davongemacht. Glaubt das liebe Mädchen doch von ihm zu sprechen, den alle für toll halten, weshalb heute eineTreibjagd zusammengestellt wurde, die im Morgengrauen ausrücken soll, das gefährlicheTier zu erlegen.
    Unvermerkt kommen wir während solcher Reden dem düsteren Kabinett nahe, Lotte tritt ein und setzt sich,Albert neben sie.Aus ihrem Mund höre ich meine eigenen Schandtaten: wie

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