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Werwelt 02 - Der Gefangene

Werwelt 02 - Der Gefangene

Titel: Werwelt 02 - Der Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
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heraus, aber der kleine Wagen sandte noch drei knallende Fehlzündungen in die Dunkelheit, ehe er still wurde. Schweigen. Vielleicht war er jetzt nahe genug. Acht bis zehn Meilen hatte der Indianer gesagt, und dem Zähler zufolge hatte er jetzt etwa sieben zurückgelegt. Besser, von hier aus zu Fuß gehen. Bei geöffneter Wagentür blieb er noch einen Moment sitzen und lauschte dem Zischen des Dampfes, der aus dem Kühler des kleinen Wagens aufstieg.
    »Du kriegst einen Rieseneimer voll Wasser von mir, wenn wir wieder daheim sind«, sagte er zu dem Auto, während er angestrengt in die schwarze Finsternis spähte. »Vorausgesetzt, wir kommen wieder heim.«
    Als er sich vorbeugte, um aus dem Wagen zu steigen, traf ihn von vorn das blendende Licht zweier Scheinwerfer. Zu gleicher Zeit hörte er das Aufheulen eines Automotors und das Krachen mehrerer Schüsse. Er warf sich rücklings quer über den Sitz, packte den Griff der gegenüberliegenden Tür und wand sich nach draußen wie eine Schlange, während die Windschutzscheibe und das Rückfenster des Model-A in Eruptionen klirrender Glassplitter zersprangen und die Kugeln pfeifend in die Sitze und die Karosserie des Wagens schlugen. Auf der abfallenden Seite des Ziehwegs ließ er sich zu Boden fallen und rollte seitlich weg, bis er gegen einen Baumstamm prallte. Er hörte laute Rufe, Scheinwerfer und Gewehre schwenkten, um ihn von neuem aufs Korn zu nehmen. Jetzt sausten die Kugeln pfeifend über seinen Kopf.
    Ich verwandle mich.
    Ohne die Richtung zu ändern, die Barry eingeschlagen hat, als er sich aus dem Wagen wälzte, hebe ich mich auf alle viere und laufe dicht am Boden den gewundenen Pfad zwischen den Bäumen hindurch. Ich laufe schnell, konzentriere mich aber vor allem darauf, dicht am Boden zu bleiben, auch wenn ich auf diese Weise etwas langsamer vorwärtskomme. Ich höre das dumpfe Knallen der Kugeln, die neben mir und über mir in das weiche Holz der Fichten einschlagen. Der Lichtstrahl ändert mehrmals die Richtung, gleitet suchend zwischen den Bäumen hindurch, ein kleiner Scheinwerfer offensichtlich, der nicht weit ins Dickicht des Waldes eindringen kann. Hinter mir ertönt plötzlich der dumpfe Knall einer Explosion, und gleichzeitig leuchten die Bäume in grellem Lichtschein auf. Ich drehe mich um und sehe, daß Barrys kleines Auto in Flammen steht. Ich wende mich aufwärts und laufe parallel zum Ziehweg, bis ich spüre, daß ich die Menschen weit hinter mir gelassen habe. Erst dort schleiche ich mich lautlos zur Straße zurück, wo es stockfinster ist, wo weder das Licht des Scheinwerfers noch der blendende Schein des Feuers mich erreicht. Am Waldrand lege ich mich flach nieder und wittere nach beiden Richtungen. Die Menschen befinden sich alle unten am Berg zu meiner Linken, wo das kleine Auto in lodernden Flammen steht. Die leere Windschutzscheibe scheint mit einem letzten Vorwurf zu mir hinaufzublicken. Jetzt erst lasse ich den kleinen braunen Teddybären fallen, den ich so behutsam in meinem Maul getragen habe, als wäre er ein Junges von mir.

6

    Renee rechnete sich aus, daß es Montag sein mußte. Am Freitag hatte Bill sie geholt. Dies war also der vierte Tag. Oh Gott, dachte sie, während sie in der alten Blechschüssel das Geschirr wusch, was sollen wir nur tun? Wie lange soll dieser Wahnsinn noch weitergehen, ehe man uns woanders hinbringt? Sie hatte keine Ahnung, was der Amerika-Deutsche-Volksbund eigentlich war und was er tat, sie wußte nicht, wer dieser Fritz Kuhn war, von dem sie ständig redeten. Wenn sie in den Zeitungen von dieser Organisation gelesen hatte, hatte sie angenommen, es handelte sich um einen Heimatverein für Deutschamerikaner, doch diese Leute hier sahen längst nicht alle so aus, als wären sie deutscher Herkunft, und kaum einer von ihnen sprach Deutsch.
    Draußen hörte sie militärisches Gebrüll, ein paar deutsche Worte, eine Stimme, die immer wieder ›Achtung‹ rief, und das laute Scharren von Stiefeln, als die Männer, die bisher auf der Veranda gesessen hatten, die Stufen hinuntertrampelten.
    »Jetzt spielen sie wieder Soldaten, Mami«, berichtete Mina, die am Fenster stand.
    Durch das Glas sah Renee, wie die Männer in zwei Reihen Aufstellung nahmen, wobei sie einander die Arme auf die Schultern legten, um gerade Reihen bilden zu können. Sie nahmen straffe Haltung an, als Ludwig mit seinem lächerlich steifen Schritt auf sie zutrat. Er bewegte sich immer seitwärts, wie ein Krebs, dachte sie. Und geradeaus

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