Werwelt 03 - Der Nachkomme
beunruhigende Hinweise. Erstens, seine Frau würde mit ihrer Klage wegen böswilligen Verlassens recht bekommen, wenn er hier in Massachusetts nicht tatsächlich einen anerkannten Arzt aufgesucht hatte, und wenn er bis zu dem Tag, der für die gerichtliche Verhandlung angesetzt war, noch nicht tot war; und zweitens, sie hatten Beweise für ein geheimes Liebesverhältnis zwischen George und einer gewissen Li l liam Penfield, wohnhaft in Revere, Massachusetts, unter anderem Fotografien, die ihn selbst und die junge Dame in einem öffentlichen Park zeigten.
Niemand brachte ihn nach Hause, und er mußte schlie ß lich ein Taxi nehmen, da er keine Ahnung hatte, welche Straßenbahn in das Viertel hinausfuhr, in dem er wohnte. Spät kam er zu Hause an, durchgefroren und zornig, und sah verdutzt, daß Mrs. Peavey sein Zimmer ausräumte.
»Mrs. Peavey«, sagte Bo zu der kleinen, energischen Frau, die gerade sein Bett machte, »ich ziehe vorläufig noch nicht aus.«
Sie sprach, ohne sich umzudrehen, während sie das L a ken über das durchgelegene Bett zog.
»O doch, Sie ziehen aus.«
»Ich verstehe nicht.«
»Ich hab ’ gesagt, daß Sie ausziehen, Mr. Beaumont.« Jetzt erst drehte sie sich um. »Ich nehme an, das ist Ihr richtiger Name?
Oder ist es vielleicht ein falscher?«
»Das ganze ist doch nur ein übles Mißverständnis«, ve r setzte Bo.
»Genau meine Meinung, Mr. Beaumont.« Mit hochr o tem Kopf drehte Mrs. Peavey sich ganz herum und stem m te die Hände in die Hüften. »Dieses kleine Luder hat mir erzählt, Sie wären ihr verlorener Vater.«
Bo war entgeistert. Ihr Vater?
»Und dann muß ich feststellen, daß ich hier ein Bordell betreibe. Eine Schande ist das, Mr. Beaumont, eine Scha n de!«
»Das ist doch alles nicht wahr«, begann George, doch er gab es auf. Es war zuviel.
Er packte seine Habseligkeiten in den Koffer und dann stand er wieder auf der Straße. Es wurde schon dunkel, und der Schnee fiel in dichten Flocken. Mrs. Peavey hatte sich hartnä ck ig geweigert, eine Nachricht für Lilly entgegenz u nehmen, und erklärt, diese Frau setze keinen Fuß mehr in ihr Haus. George beschloß, einfach vor dem Haus auf Lilly zu warten, da sie an den Wochentagen im allgemeinen nach der Arbeit zu ihm kam.
Doch es wurde immer dunkler, und sie kam nicht, und George hatte allmählich das Gefühl, am Bürgersteig anzu f rieren. Schweren Herzens marschierte er zur Straßenbahn und fuhr nach Maiden hinein, um sich in dem einzigen kleinen Hotel ein Zimmer zu nehmen. Im Telefonbuch von Maiden fand er drei Carrothers , in dem von Revere nur einen. Unter der einen Nummer meldete sich niemand, und die drei anderen Carrothers hatten nie von Lilliam gehört. Als Bo an diesem Abend in dem fremden Zimmer, das so eng und stickig war wie das letzte, in sein Bett stieg, hatte er das Gefühl, das Leben hätte ihn wieder einmal verraten. Doch er war müde. Er schlief.
Am nächsten Morgen war alles weiß, und der graue Himmel verhieß weiteren Schnee. Bo setzte sich in eine Imbißstube in der Hauptstraße, bestellte sich Rührei und Weizentoast – keinen Kaffee, keine Marmelade – und ve r suchte, seinem Leben eine Ordnung zu geben. Rundum wartete alles auf Weihnachten, das jetzt nur noch zwei T a ge entfernt war, doch George Beaumont kam sich vor wie der Schläger in einem Baseballspiel, der mutterseelenallein auf dem Schlagfeld steht, nachdem er dreimal ins Aus g e schlagen hat. Ja, genauso ist es, dac h te er.
Die Schmerzen sind weg, also werde ich wahrscheinlich wieder leben können, dachte er, in dem Bemühen, die Ereignisse nach ihrer Wichtigkeit zu ordnen. Zweitens, Mary Louise will sich scheiden lassen. Drittens, ich kann Lilly nicht finden. Er hätte jetzt gern eine Tasse Kaffee oder eine Zigarette oder auch beides gehabt, doch der G e danke, d a hin zurückzukehren, wo er vorher gewesen war, wo jede Minute von Schmerz und Angst erfüllt gewesen war, mac h te es ihm leicht, auf diese verbotenen Genüsse zu verzic h ten. Und schließlich hatte er fast kein Geld mehr.
Müßig fragte er sich, was Mary Louise antworten würde, wenn er ihr ein Telegramm schickte und sie um hundert Dollar vom Sparkonto bat. Vielleicht würde Mr. Kneipe ihm etwas leihen. Ha, wo er sich ausgerechnet in der ersten Novemberwoche krank gemeldet hatte, als das Wei h nachtsgeschäft auf vollen Touren zu laufen begann! Nein, da hatte er nichts zu hoffen. Der Gedanke an eine Sche i dung lag ihm schwer auf dem Herzen, drückte ihn nieder wie
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