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Werwelt 03 - Der Nachkomme

Werwelt 03 - Der Nachkomme

Titel: Werwelt 03 - Der Nachkomme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
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Wohnzimmer und unterhielten sich, und als es dunkel wurde, luden sie die Weihnachtssänger ins Haus ein, die singend durch die Straße zogen.
    »Diesen Tag werde ich nie vergessen«, sagte Bo, als er mit Lilly an der Tür stand.
    Es war nach Mitternacht, und die Carrothers waren schon zu Bett gegangen. Draußen in der Dunkelheit blies der Wind stärker und der Schneefall wurde dichter.
    »Mußt du morgen fahren?« fragte Lilly, ihn fest in den Armen haltend.
    »Ja. Diese Verhandlung, bei der ich zugegen sein muß, findet am Donnerstag statt, und ich muß mir erst noch e i nen Anwalt suchen, und die Züge fahren langsam. Die Verbindungen nach Whitethorn sind schlecht.«
    Er sagte nicht, daß er den Zug nur nehmen konnte, wenn seine Frau ihm das Geld dafür schickte. Aber das spielte ja auch keine Rolle. Irgendwie würde er schon hinkommen.
    »Und wann kommst du zurück?« Ihre Stimme war so leise, daß er sie kaum hören konnte.
    »Sofort«, versicherte er mit Gewißheit, in diesem M o ment überzeugt davon, daß alles ganz einfach werden wü r de.
    Er würde die Gerichtsverhandlung hinter sich bringen, Kneipe kündigen und hierher zurückkehren, um sich in Boston oder einer der kleinen Ortschaften wie Maiden eine Stellung zu suchen. Hier in der Gegend konnte sicher j e mand einen guten Goldschmied gebrauchen, der etwas vom Schleifen, Gravieren und Gießen verstand und alles mögl i che andere konnte. Er hatte sich lange mit Lilly darüber unterhalten, und sie waren beide zu dem Schluß geko m men, daß die Aussichten gewiß nicht schlecht waren. Doch wie er jetzt im dämmerigen Hausflur stand und auf der a n deren Seite der Tür das tiefe Seufzen des Windes hörte, krampfte sich ihm plötzlich zuckend sein Magen zusa m men. Einen Moment lang glaubte er, der alte Schmerz wäre wieder erwacht, doch dann fühlte er Lilly in seinen Armen und wußte, daß es nur seine Angst vor dem Morgen war.
    »Du brauchst dir überhaupt keine Sorgen zu machen, Liebes«, erklärte er, und seine Stimme klang ihm so g e künstelt in den Ohren, wie die eines Schauspielers in einem Film.
    »Ich mach ’ mir keine Sorgen, Bo«, erwiderte sie und hob ihr Gesicht dem seinen entgegen, um ihn zu küssen. »Du sollst nur wissen, daß ich dich liebe.«
    »Ich liebe dich auch, Lilly.«
    Danach trat er hinaus in das Schneetreiben, das jetzt immer dichter wurde. Noch einmal blickte er zurück. Sie stand in der erleuchteten Tür und blickte ihm nach, und er winkte ihr und hoffte, sein Winken wirkte zuversichtlich.
    An diesem Abend packte er in dem kleinen Hotelzimmer seine Sachen wieder in den alten Koffer, beschloß mit se i nem Anruf bei Mary Louise bis zum nächsten Morgen zu warten und legte sich auf dem Bett nieder. Lange lag er grübelnd da, ehe ihn schließlich der Schlaf übermannte, ohne daß er es merkte.
    Der Zug hatte anderthalb Stunden Verspätung, und M a ry Louise Beaumont war schon mindestens zwei Stunden lang auf dem Bahnsteig auf und ab gewandert. Als der Zug jetzt von Dampfwolken umhüllt im Bahnhof stand, und die Leute über die kleinen Treppchen, die die Gepäckträger hinstellten, aus - und einstiegen, sagte sie sich wohl zum fünfhundertsten Mal, daß sie Ernst machen würde. Ihr Mann war unter den allerletzten Passagieren, die aussti e gen, und obwohl er den Koffer trug, den sie ihm vor zwölf Jahren gekauft hatte, erkannte sie ihn nicht wieder.
    »Mary Louise«, sagte Bo und stellte den Koffer auf dem nassen Bahnsteig nieder. Kalter Regen peitschte ihm ins Gesicht, so daß er fröstelte.
    »George, George!« sagte Mary Louise voll staunender Verwunderung. »Was, in Gottes Namen, ist denn aus dir geworden? Du – du bist ein ganz anderer Mensch. Du – ach, du bist so dünn geworden, und du siehst viel größer aus.«
    Die Hände um die kleine Handtasche gekrampft, blickte die Frau zu ihm auf.
    »Ich bin jetzt gesund«, sagte er und war unschlüssig, ob er sie in die Arme nehmen und küssen sollte. Er fühlte sich wie betäubt.
    »Aber du kannst doch unmöglich gesund sein! Du bist so mager. Schau doch nur, wie der Mantel an dir heru m schlottert. George, du mußt ins Krankenhaus …« Sie stoc k te, als sie ihm in die Augen blickte und dort einen Au s druck entdeckte, den sie nie zuvor an ihm gesehen hatte. »… schnellstens«, schloß sie unsicher.
    »Ich brauche kein Krankenhaus mehr«, versetzte er und hob den Koffer auf. »Hast du schon zu Mittag gegessen?«
    »Ja – äh – ich meine, nein. Ach George!«
    Die Frau

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