Werwelt 03 - Der Nachkomme
es stand ja drin, daß sie dunkel ist – so ein kleines Flittchen, das du irgendwo aufgegabelt hast und das dir dann den rechten Weg ins Leben gezeigt hat, wie?«
Er stand da wie gelähmt und war nicht fähig, ihr zu an t worten. War es nicht möglich, zwei Frauen zugleich zu lieben und beide glücklich sehen zu wollen? Er fühlte sich zutiefst elend und unglücklich, aber an den Tatsachen war nicht zu rütteln, und sie mußten sich mit ihnen auseina n dersetzen.
»Sehr gerissen hast du das angestellt, George!« Ihre Stimme war härter, als er sie je gehört hatte. »Da erzählst du mir und allen anderen, du hättest Krebs, und wir rasen von einer Untersuchung zur anderen, und Mr. Kneipe gibt dir extra frei, obwohl er dich gerade vor Weihnachten dri n gend gebraucht hätte, und was machst du, du gehst auf und davon und fängst mit dem nächstbesten Flittchen ein Ve r hältnis an!« Sie sprang auf und sah ihm mit plötzlichem Haß ins Gesicht. Und dann lösten sich ihre Züge wieder in Tränen auf. »Ach, George, George wie konntest du nur?«
Unbewegt wie ein Baumstumpf stand er da, völlig g e fühllos wieder, distanziert von allem, sogar von sich selbst. Seine Frau stand zwei Meter entfernt von ihm neben dem Tisch mit den Kaffeetassen. Sie hätten tödliche Feinde sein können, jeden Moment bereit, das Messer oder die Pistole zu ziehen. Worte halfen da nichts mehr. Er wußte, daß j e der weitere Versuch einer Erklärung ihn nur noch zorniger machen würde, ihn nur in ein noch schlechteres Licht se t zen würde. Sie würden es eben durchstehen müssen. So schwer es ihm fiel, ihr das anzutun.
»Aber das wirst du mir bezahlen, George! Das wirst du mir teuer bezahlen.«
Ihr zorniges Gesicht kam dem seinen nahe und wich wieder zurück, als sie mit wütenden Gesten, so als wollte sie ihm ihre Worte um die Ohren schlagen, auf ihn zuging und dann wieder zurücktrat.
»Mr. Morrisey hat mich über meine Rechte als betrog e ne Ehefrau aufgeklärt. Er war mir in dieser entsetzlichen Zeit, die ich durchgemacht habe, der beste Freund.« Sie trat wi e der nahe an ihn heran, versuchte, ihn zu zwingen, sie anzusehen. »Während du da in Boston mit deinem Lie b chen geturtelt hast. Er ist ein lieber, guter Mensch.«
Ihre letzten Worte trafen Bo, und ihm wurde mit Ve r wunderung klar, daß sie versuchte, ihm vorzumachen, sie sei drauf und dran, sich in ihren Anwalt zu verlieben, um ihm, Bo, so die Möglichkeit zu geben, zu ihr zurückzuke h ren. Er starrte auf ihr gequältes Gesicht, während sie ja m mernd mit den Armen wedelte. Zum ersten Mal vielleicht seit sie verheiratet waren, spürte er wirklich, wie sie ihn liebte, selbst jetzt noch, nach dem, was er ihr angetan hatte. Er schüttelte den Kopf. Er konnte Lilly nicht hineinziehen, und das andere würde Mary Louise ihm niemals glauben. Er wollte ihr sagen, daß er sie noch immer liebte und ihr nur Gutes wünschte, daß er jedoch nicht mehr bei ihr ble i ben konnte. Doch er sagte nichts.
Die Gerichtsverhandlung am Donnerstag, dem dreißi g sten Dezember neunzehnhundertsiebenunddreißig erwies sich nur als ein Vorspiel, das aus einer Reihe rechtlicher G e plänkel zwischen Mr. Morrisey und Bud Hopps bestand, einem alten Freund von Bo, der hin und wieder auch Scheidungen übernahm. Der Richter hörte sich alles mit halbgeschlossenen Augen an, während er sich gelegentlich auf einem großen Block eine Notiz machte, und schließlich forderte er das Ehepaar auf, › nach vorn zu kommen. ‹
»Mary Louise und George Beaumont«, sagte er, die Namen von einem Dokument ablesend, das vor ihm lag. »Diese Angelegenheit, die Sie mir da zu Gehör bringen, ist eine ernste Angelegenheit, und ich möchte Sie deshalb be i de auffordern, Ihr Handeln ruhig und mit Blick auf die Z u kunft zu betrachten. Die Ehe ist eine Einrichtung des G e setzes und der Kirche, und die Lösung der rechtlichen Bande wird gewisse Folgen nach sich ziehen, die Ihr Leben verändern werden. Es ist möglich«, fuhr er fort, halb sich über sein hohes Pult beugend, »daß Sie beide eine tiefgre i fende Meinungsverschiedenheit gehabt haben, daß es Ihnen aber mit ernstem Besinnen gelingen wird, eine Ein i gung zu erreichen, die diesen Schritt unnötig macht.« Er blickte zu Mary Louises Rechtsanwalt hinüber, einem Mann Mitte Dreißig, im Zweireiher, mit steifem Kragen und schmaler Krawatte. »Mr. Morrisey, der Vertreter der Klägerin, hat hier vorgebracht, daß Ihre Meinungsverschiedenheiten tiefgreifend und
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