Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Werwelt 03 - Der Nachkomme

Werwelt 03 - Der Nachkomme

Titel: Werwelt 03 - Der Nachkomme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
Vom Netzwerk:
blickte auf den Mann, mit dem sie seit zwanzig Jahren verheiratet war, und der nun mit Schimpf und Schande zu ihr zurückgekehrt war; auf den Mann, von dem sie geglaubt hatte, er würde nur in einem Sarg zu ihr z u rückkehren, und sie wollte ihm nicht mit Kälte und Bitte r keit begegnen. Sie spürte, daß die alte Gewohnheit sie zu ihm hinzog, in ihr den Wunsch weckte, seinen Arm zu nehmen, ihn sogar ihren Zorn sehen zu lassen. Doch dann fiel ihr der Bericht der Detektei ein, in dem gestanden ha t te, daß er dort in Boston mit einem blutjungen Mädchen ein Verhältnis gehabt hatte, und ihre Miene wurde hart. Der schwankende Ton der Unschlüssigkeit wich aus ihrer Stimme.
    »Komm jetzt mit nach Hause, da können wir etwas e s sen. Wir haben vor morgen noch eine Menge zu bespr e chen.«
    Sie drehte sich um und machte ein paar Schritte, ehe sie zurückblickte. Er folgte ihr.
    Sie war immer eine starke Frau gewesen, dachte George, während sie das Auto durch die vertrauten Straßen von Whitethorn steuerte. In dieser Stadt, in diesem Zuhause, wo wir aufgewachsen sind und unser Leben gelebt haben, h a ben wir beide zusammen ein recht gutes, erfülltes Leben geführt. In seinem Gesicht war eine Gefühllosigkeit, so als hätte er zuviel getrunken oder wäre gerade vom Zahnarzt zurüc k gekommen. War es möglich, daß er sie noch immer liebte? Er blickte zu ihr hinüber, während sie vor der einz i gen Ampel im Ort warteten. Sie hatte etwas zugenommen, doch sie war immer noch eine anziehende Frau. Aber in den let z ten zwei Jahren, seit dem Unfall, war es schlimm gewesen. Er wandte den Blick ab. Diese Gefühllosigkeit, die ihn einschloß, machte es ihm schwer, über all dies nachzudenken.
    In dem Haus, in dem sie vierzehn Jahre lang gelebt ha t ten, und das noch immer nicht ganz abbezahlt war, setzte er sich an den Küchentisch. Das alte Leben wollte ihn u m schließen mit dem Behagen der Vertrautheit und das Fre m de und das Übernatürliche auslöschen. Doch es konnte Li l ly nicht aus seinen Gedanken verbannen. Sie war da, ein Teil des neuen Lebens, das er in sich spürte.
    »Nein, Mary Louise«, sagte Bo, als sie verschiedene Dinge aus dem Kühlschrank holte, »den Hackbraten kann ich nicht essen. Hast du vielleicht Quark da?«
    »Du kannst keinen Hackbraten essen?«
    Sie drehte sich nach ihm um. Ihr Gesicht war so vertraut, erinnerte ihn so stark an frühere Zeiten, daß er den Atem anhielt und wegblickte.
    »Das ist einer der Gründe, weshalb ich wieder gesund geworden bin«, erklärte er. »Ich bin Vegetarier geworden.«
    »Vegetarier?«
    Sie stemmte die Hände in die Hüften und musterte ihn. Er sah ihr an, daß sie noch etwas sagen wollte, doch statt dessen stellte sie schweigend den Hackbraten wieder in den Kühlschrank und nahm ein Glas Ananasquark und das Weizenbrot heraus.
    Gemeinsam saßen sie am Tisch, und wenn Bo seine G e danken hätte leerlaufen lassen, so hätte er sich einbilden können, es wäre irgendein Tag vor drei oder mehr Jahren, ein Samstagnachmittag vielleicht, und sie warteten auf Charles, der nun bald vom Baseballspiel heimkommen mußte. Doch es war jetzt tiefer Winter, und ihr Sohn war tot, und alles war anders geworden.
    »Du willst also den Knoten lösen?« sagte Bo.
    »Damit hast du doch bereits angefangen«, versetzte sie, während sie ihr Brot in kleinen Bissen aß, wie sie das i m mer tat. Sie pflegte es hochzunehmen, abzubeißen und es dann wieder niederzulegen, als wäre es zu heiß, es in der Hand zu halten.
    »Ich glaube, ich muß dir da einiges erklären«, sagte Bo und wußte noch in dem Moment, als er das sagte, wie u n möglich es war, irgend etwas zu erklären.
    »Aber nein, das brauchst du wirklich nicht«, entgegnete sie leichthin. »Du lieber Himmel, das ist doch eine Banal i tät, die Zeder begreift, der alternde Mann, der vor To r schluß noch einmal etwas erleben will.«
    »Du hast natürlich das Recht, so etwas zu denken, aber es war nicht so.«
    Er wußte, daß sie ihn beleidigte, und war überrascht festzustellen, daß er überhaupt nicht zornig war. Vor ein paar Monaten noch wären sie an dieser Stelle schon im schönsten Streit gewesen, aber es sah ja auch wirklich so aus. Er konnte es ihr im Grunde nicht verübeln.
    »Ich meinte in bezug auf meine Krankheit«, versetzte er ruhig.
    »Na, das dürfte doch wohl auf der Hand liegen, daß du keinen Krebs gehabt hast, oder nicht?«
    Sie sprang vom Tisch auf, um den Kaffee zu holen.
    »Doch, ich hab ’ Krebs gehabt«,

Weitere Kostenlose Bücher