Werwelt 03 - Der Nachkomme
unversöhnlich sind. Mr. Hopps, der Ve r treter des Beklagten, hingegen bestreitet zwar diese Me i nungsverschiedenheiten nicht, tritt jedoch für eine freun d schaftliche Beilegung ein.«
Mary Louise warf einen verstohlenen Blick auf ihren Mann, der mit ernsthaftem Gesicht zum Richter aufsah. Sie konnte die Veränderung, die mit ihm vorgegangen war, sowohl in seiner Erscheinung als auch in seinem Gebaren, noch immer nicht fassen. Sie spürte eine flüchtige Aufwa l lung von Angst, als sie daran dachte, daß er einer Frau b e gegnet war, die das bei ihm bewirkt hatte, dann aber übe r legte sie sich, daß er wahrscheinlich tatsächlich geglaubt hatte, sterben zu müssen, und sich daher jetzt vorkam wie ein neugeborener Mensch. Er verbindet das mit dem Mä d chen in Boston, sagte sie sich. Dann lauschte sie wieder den Worten des Richters.
»… Der Beklagte hat jedoch mit keinem Wort angede u tet, daß diese Streitigkeiten nicht zu schlichten wären. Sie, George Beaumont, ein reifer Mensch, der sich in seiner Heimatstadt eine solide Karriere aufgebaut hat, sollten sich die ernsthaften Folgen Ihres Handelns …«
Bo bemühte sich zuzuhören, doch er konnte nicht ve r hindern, daß der Redestrom des Richters leer über ihn hi n wegrauschte. Es waren der juristischen Fachausdrücke zu viele; das alles erinnerte ihn an einen Kriminalroman, den er einmal gelesen und der ihn gelangweilt hatte. Insgesamt lief es darauf hinaus, daß der Richter sich pflichtschuldigst bemühte, Mary Louise und ihn zu versöhnen, und das war unmöglich.
Getrennt verließen sie den Gerichtssaal, ganz so, als w ä ren sie schon geschiedene Leute und als hätte jeder von ihnen sich statt dessen mit einem Anwalt zusammengetan. Bo und Bud gingen ein Bier trinken, während Mr. Morrisey und Mary Louise sich in die Kanzlei des Anwalts zurüc k zogen, um die nächsten taktischen Schritte zu planen. Die nächste Verhandlung sollte zu Bos Verwunderung erst in dreißig Tagen stattfi n den. Er hatte geglaubt, es würde alles mit diesem einen Termin abgetan sein, und er könnte u n verzüglich nach B o ston zurückkehren.
In der kleinen Bar am Broadway trank er ein Ginger Ale, während Bud sich ein Bier bestellte.
»Die Frau hat vor, dir das letzte Hemd zu nehmen, Bo«, sagte der Anwalt.
»Wenn sie das will, dann laß sie.«
Das Ginger Ale schmeckte nach nichts.
»Bo, ich weiß gar nicht, was in dich gefahren ist. Du b e nimmst dich so, als wäre es dir völlig gleichgültig, wenn sie alles bekommt, das Haus, den Wagen und das Bankko n to dazu. Was ist mit deinen Werkzeugen, die unten im L a den sind? Willst du ihr die auch noch lassen?«
»Ach, Bud, laß doch«, versetzte er. »Sie hat in der let z ten Zeit viel Kummer gehabt, und ich hab ’ durch mein Verhalten alles noch verschlimmert. Es ist mir wirklich gleichgültig, wenn sie alles bekommt. Ich geh ’ sowieso von hier weg.«
Der Anwalt pfiff einmal kurz durch die Zähne.
»Ich werd ’ auf jeden Fall dafür sorgen, daß dir genug bleibt, um mein Honorar zu bezahlen, alter Junge, und a l les, was darüber ist, gehört dir.«
› 6. Januar, 1938
Liebste Lilly,
das ist eine schreckliche Geschichte hier. Die Gerichte lassen sich Zeit, und es besteht keine Chance, daß die S a che vor Ende des Monats erledigt wird. Der alte Kneipe, mein Arbeitgeber, hat mich gebeten, einen neuen Mann anzulernen, und er scheint nicht sehr geneigt, mir ein gutes Zeugnis auszustellen, da ich ihn, wie er sagt, einfach sit z engelassen hätte. Sie glauben nämlich hier alle, ich hä t te mich nur krankgestellt, Liebes, und das nehmen sie mir natürlich jetzt gründlich übel. Na ja, Du hast ja schon vo r her gesagt, daß es so kommen würde.
Aber ich laß mich davon nicht unterkriegen, wirklich nicht. Ich denke nur daran, daß ich gleich nach dem näc h sten Termin endlich abreisen kann, und dann komme ich wieder nach Boston, und wir beide sind wieder zusammen. Wir suchen uns eine hübsche Wohnung, wo wir uns häu s lich niederlassen und wie richtige Menschen leben können. Lilly, meine Liebe zu dir macht mich so glücklich, daß ich wirklich ein ganz neuer Mensch bin. Diese Leute können mir nichts anhaben, sie können tun was sie wollen, zw i schen uns beiden wird das nichts verändern. Darauf kannst Du Dich wirklich verlassen. Bitte schreibe mir bald und vergiß nicht, daß ich Dich mehr liebe als alles andere auf der Welt.
In inniger Liebe,
Bo. ‹
› 4 Januar, 1938
Lieber Bo,
heute habe ich wieder
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