Werwelt 03 - Der Nachkomme
spie die Nüsse wieder aus, um sie einzeln zu essen.
»Meinen Sie, die Niedergeschlagenheit Ihres Onkels hat mit diesem wüsten Abschlachten der Tiere etwas zu tun?«
»Ganz sicher, wenn das auch schon eine Weile her ist. Wie wäre Ihnen denn zumute, wenn sie wüßten, daß die Leute von der Regierung jederzeit in ihr Haus kommen und Ihnen Ihr Auto wegnehmen könnten, vielleicht sogar auch einen Teil Ihres Geldes?«
»Das tun sie doch, indem sie uns Steuern zahlen lassen.«
»Aber das ist nicht das gleiche«, versetzte Johnny und spie wieder eine Pinonschale aus. »Ihr Weißen erwartet das. Eure Regierung gibt euch das, was ihr haben wollt, und dafür verlangt sie eine Gegenleistung. Bei uns verhält sich das nicht so. Die Regierung hat uns alles genommen, wir versuchten, es wieder aufzubauen, und dann kommen diese Leute ohne viel Federlesens an und schlachten Ta u sende von Tieren ab, nur weil ihre Berechnungen nicht mit der Realität übereinstimmen.«
Sie umrundeten jetzt die Biegung des Canyons, und Ba r ry sah vor sich eine Biegung auftauchen. In der weiten Ebene, zu der das Tal sich verbreiterte, standen eine große Anzahl von Buschhütten und zwei oder drei Hogans, Hü t ten aus Stein und Holzbalken. Windschiefe Zäune umfri e deten Felder, in denen neuer Mais wuchs, vielleicht auch Gemüse. Die Siedlung wirkte wie ein richtiges kleines Dorf, wo jeder seiner täglichen Arbeit nachging. Vor einem der Hogans stand sogar ein alter Ford Lieferwagen.
»Da wären wir«, sagte Johnny. »Da haben Sie das ganze Lager von Yellow Mesa.«
Barry verspürte einen Anflug von Unbehagen angesichts so vieler Indianer in ihrer natürlichen Umgebung. Er kam sich fremd und allein vor und wußte plötzlich, wie einem Indianer in der Stadt zumute sein mußte, umgeben von e i ner fremden Kultur und Menschen einer fremden Rasse.
»In dem alten Hogan da drüben«, bemerkte Johnny, der das Wort wie horan aussprach, »halten wir die Segensfeier ab.«
»Da scheint niemand drin zu wohnen.«
»Nein. Die Weißen wohnen ja auch nicht in ihren Ki r chen, oder?«
»Ach so, natürlich«, sagte Barry, der einen Hauch von Feindseligkeit von dem Mann an seiner Seite spürte. Lieber Himmel, hoffentlich geht das gut, dachte er.
Doch es war alles sehr freundlich. Barry hätte sich keine Sorgen zu machen brauchen. Er wußte nicht, daß eine von Johnnys kleinen Schwestern am vergangenen Abend noch hierhergelaufen war, und alles über den weißen Mann e r zählt hatte, der extra hergekommen war, um ein Loblied über die Kirche zu schreiben. Er war daher angenehm über den Empfang übe r rascht, der ihm bereitet wurde. Es war, als würde er auf einem großen Fest willkommen geheißen.
Nur zwei Namen blieben ihm nach der Begrüßung im Gedächtnis: der eines alten Fischermannes, von dem Joh n ny ihm schon erzählt hatte, und der Sarah Lakuchais, einer hübschen jungen Frau in einer Baumwollbluse und einem Samtrock, der etwas kürzer war als die Röcke der älteren Frauen. Sie war eine auffallend schöne Indianerin, dachte Barry und dann wurde ihm bewußt, daß er sie schon viel länger ansah, als die Höflichkeit gestattete. Ihr Haar schimmerte in einem tiefen bläulichen Schwarz, und die schrägstehenden Mandelaugen gemahnten an ihre mongol i schen Vorfahren. Der Mund mit dem heiteren Lächeln erinnerte ihn an Renee, und schuldbewußt riß er sich aus seinen Betrachtungen, wandte den Blick ab, um einer and e ren Frau die Hand zu schütteln, die so uralt aussah, daß sie sich wohl noch der Fahrt über das Bering-Meer erinnern mußte.
Manche der Leute sprachen Englisch, andere hätten es gekonnt, machten sich aber nicht die Mühe. Jeder hatte zu tun. Die einen jäteten Unkraut oder besserten die Zäune aus, so daß die Schafe und Ziegen nicht über den angeba u ten Mais herfallen konnten, die anderen hackten Holz und trugen es von den Hängen weiter talabwärts ins Dorf h e rein, und wieder andere waren mit althergebrachten Arbe i ten beschäftigt wie die Frauen, die an ihren Webstühlen saßen. Viele der älteren Frauen spannen Wolle, indem sie einen einfachen Stock gebrauchten, der in ein flaches Stück Holz eingepaßt war, das sie auf einem Schenkel hielten. Die jüngeren Frauen reinigten und kardeten die Wolle. Ihm fiel auf, daß weniger Männer im Dorf waren, als er erwa r tet hatte, und Johnny erklärte ihm, daß viele von den Mä n nern für die Eisenbahn arbeiteten, die Santa Fe-Linie, und daß manche oft monatelang wegblieben.
»Wir
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