Werwelt 03 - Der Nachkomme
erstarben.
Der Altar schrumpfte wieder zu einem halbmondförm i gen Hügel zusammen, die Wesen wurden kleiner und kle i ner und verglühten wie Funken, das Feuer brannte niedr i ger, während seine Flammen flackernde Schatten auf den Sandboden des mitternächtlichen Hogans malten. Barry sah, daß die Augen der Frau gegenüber geschlossen waren. Er fühlte sich leicht und schwer zugleich, müde und ausg e ruht, und war sehr durstig. Der Durst gaukelte ihm Bilder von ausgetrockneten Schluchten und Totenschädeln vor. Seine ausgedörrte Kehle zog sich zusammen, wurde rissig, zerbröckelte in rostige Teilchen, die in die leerhallende Höhle seines Leibesraums fielen, wo er, den Mund von Staub verklebt, umherwanderte.
Etwas berührte seinen Arm.
»Trinken Sie«, sagte eine Stimme sehr leise, doch sie dröhnte, als befänden sie sich in einer riesigen Höhle.
Er hob den Schöpfer, eine Kürbisschale, und der Geruch des Wassers überwältigte ihn, trieb seine Sinne zur Raserei wie die Liebe einer Frau. Er trank.
Die Kürbisschale wurde weitergereicht.
Die Nacht lag zu seinen Füßen, entrollte sich in Meilen leeren Sandes zu dem Feuer, das langsam herunterbrannte. Und die endlose Weite des Sandes überzog sich mit einem durchscheinenden Blau, wurde zu einem blauschimmer n den, wabernden Untergrund, der wie Wasser um ihn herum anschwoll. Er konnte nicht atmen, wenn er sich nicht wi e der trennen konnte. Er mußte sich wieder trennen, doch aus dieser ungeheuren Ferne sah er die dunklen Augen der Frau namens Sarah, die ihn anblickten und in einem Lied, das er nicht verstehen konnte, »nein«, sagten. Und wieder sangen sie ihm, dem zweifachen ihm »nein«, und sie hörten auf zu träumen, als wären sie wahrhaftig zwei, weil die Frau zu beiden von ihnen zugleich gesprochen hatte. »Nein«, hatte sie gesagt, und sie mußten sich für diesen Augenblick d a mit zufriedengeben, eins zu sein.
Die Zeit trieb davon wie Nebel vor einem Wind. Das Feuer zog seine Augen an, bis sie trocken und wund in i h ren Höhlen lagen, so federleicht, als wollten sie seinem Kopf entschweben. Sein augenloses Gesicht blieb zurück, als sie wie Distelwolle durch die Dunkelheit wehten, im leichten Luftzug, der durch die Türöffnung kam, sachte schwankten, himmelwärts blickend durch den Rauchabzug, während sie von der aufsteigenden Hitze der Flammen aufwärts gewirbelt wurden, hinaus und fort ins Universum, wo Barry noch immer aus ihren entkörperten Pupillen blickte, die sich zu tiefen Höhlen weiteten. Er sah die d a hintreibenden Lichtschwärme, die Milchstraßen waren, die Wolken leuchtenden Gases, die Spiralnebel, einen neuen Stern, der Lichterketten wie summende Drähte zwischen den Sternen spannte, sie alle in einem riesigen Netz z u sammenhielt, einem himmlischen Spinnennetz. Er schloß seine Augen.
Die Eruption von Farben war wieder von Schall begle i tet, und von einem Gefühl, als läge kühles Granatrot auf seiner Haut, wie es von einem Kirchenfenster fällt, das von einem Mondstrahl durchdrungen ist. Ein Akkord aus drei Halbtönen, die er nicht voneinander trennen konnte, bildete sich unter dem beharrlichen Schlag seines Herzens, oder war es der Schlag der Trommel? Er blickte ins Innere se i ner Augen und sah die Welt durch ein Rohr, das wie ein Mikroskop war, du n kel und flimmernd. Er bewegte sich mitten unter den riesigen, summenden Massen der g e schoßartig hin- und herflitzenden Bakterien, dem Spira l wirbel der Moleküle und den blitzenden Stäubchen, die auftauchende und wieder verschwindende Elektronen wa r en. Sie rauschten an ihm vorbei, während er durch ihr G e wimmel trieb und wieder hinaus auf die weiten sternenb e säten Wiesen des Universums voll leuchtender Farben, e i nem gewaltigen, rostroten Mond entgegen, der immer gr ö ßer wurde. Er öffnete seine Augen.
Die Trommel lag in seinen Händen. Sie fühlte sich me n schlich an. Die Haut, mit der sie bespannt war, war weich, sensibel, als würde sie aufseufzen, wenn man sie unsanft berührte. Er klopfte sehr sachte darauf, und die Steine, um die die Lederriemen gewickelt waren, fühlten sich unter seinen Händen wie Organe an, wie die Knöchel und Kno r ren der lebenden Trommeln. Er klopfte mit seinen Fingern, und ein Rhythmus floß aus seinen Händen in die Trommel hinein, so daß sie flüsternd zu sprechen begann. Die Za g haftigkeit verlor sich, als die Finger bestimmter zur Tro m mel sprachen, und die Trommel die Worte weitergab. Ba r ry hörte seine Stimme
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