Werwolf-Hölle
drehte die Akte herum und reichte sie uns über den Tisch hinweg.
Suko und ich schauten beide hin. Auf zwei Seiten waren Fotos aufgeklebt worden.
Wir hatten Ruinen oft genug erlebt, und diesen Bau als Ruine zu bezeichnen war schon etwas übertrieben. Er sah verlassen aus und wirkte auch ein wenig verfallen, doch unter einer Ruine stellte ich mir etwas anderes vor.
Die Mauern standen noch. Fenster gab es auch. Das Dach zeigte Schäden, und wir stellten auch fest, daß sich Winter’s Castle aus mehreren Bauten zusammensetzte. Es war lange nicht bewohnt worden, es hätte auch renoviert werden müssen, doch als Versteck eignete es sich durchaus.
Ich reichte der Frau den Hefter wieder zurück. »So ruinenhaft sieht mir das Haus nicht aus.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Das ist eben Ansichtssache.«
»Und Mr. Hogan hat Winter’s Castle erworben?« fragte Suko.
»Ja.«
»Wie hoch war der Preis?«
»Oh, das kann ich Ihnen nicht genau sagen. Ich weiß es nicht. Da müßte ich nachschauen. Aber sehr viel hat er nicht bezahlt. Die Verhandlungen dauerten auch nicht sehr lange. Man war sich schnell einig.«
»Wo können wir die Ruine finden?«
»Südwestlich von London. An der Grenze zwischen Kent und Surrey. Es ist nicht genau geklärt worden, zu welcher Grafschaft Winter’s Castle je gehört hat.«
»Was wissen Sie noch darüber?« fragte ich. »Ich meine, ich könnte mich informieren, aber das würde zuviel Zeit in Anspruch nehmen. Sie kennen doch sicherlich die Vergangenheit der Ruine, um bei dem Begriff zu bleiben.«
»Die... die Ruine gehörte der Familie Winter.« Sie räusperte sich. »Es war kein Adel. Eine Industriellen-Familie, die allerdings auseinanderging. Geschäftlich und auch privat lief es in die Pleite hinein. Zuletzt blieb nur dieser Sitz übrig, und auch der sollte verkauft werden. Zuvor hat man den Sitz vermietet.«
Ich horchte auf. »An wen?«
»Wie Mr. Freeman erfuhr, hat manchmal ein Zirkus dort sein Winterquartier bezogen.« Sie lachte leicht unecht. »Das ist zwar ungewöhnlich, aber in diesem Fall stimmt es. Anscheinend reichen die noch vorhandenen Räumlichkeiten aus.«
»Zirkus?« hakte Suko nach. »Sie denken dabei auch sicherlich an Tiere und Menschen?«
»Das nehme ich doch an.«
»Und heute?«
Denise Brown klappte den Hefter zusammen. »Heute steht die Ruine leer. Das heißt, schon seit einigen Wochen. Es hat sich kein Mieter gefunden.«
Wir blickten uns um. Hier kam etwas zusammen, das Morgana Layton und ihren Wölfen gefallen konnte. Eine einsame Gegend, dann die Ruine, die von kaum einem Menschen besucht wurde, zumindest nicht bei kaltem Wetter, das war schon ein idealer Ort und sogar ein gutes Versteck für ihre Zwecke.
»Hat Sie das denn weitergebracht?« fragte Mrs. Brown.
»Bestimmt«, antwortete ich. »Mr. Hogan hat die Ruine erworben. Wie war der geschäftliche Ablauf?«
»Um den hat sich Mr. Freeman gekümmert. Er setzte sich mit dem Besitzer in Verbindung, der froh war, einen Käufer gefunden zu haben. Es war wohl der letzte Winter.«
»Wo lebt er?«
»Er hat sich nach Irland zurückgezogen. Nach der genauen Adresse müßte ich schauen und...«
»Das ist nicht nötig«, sagte ich schnell, als ich sah, daß sie sich erheben wollte. »Wir kommen schon allein zurecht, Mrs. Brown. Es wäre nur nett, wenn Sie uns sagen könnten, wo genau wir die Ruine finden können. An einer Küste liegt sie ja nicht, sondern mitten im Land. Oder sind Sie schon einmal dort gewesen?«
»Nein, das nicht. Ich habe zwar hin und wieder zusammen mit Mr. Freeman einige Objekte besichtigt, doch nicht Winter’s Castle. Die Ruine liegt ziemlich einsam. Der nächste Ort heißt Tidebrock, wie ich hörte. Mehr weiß ich leider auch nicht. Wenn Sie sich mit Mr. Winter in Verbindung setzen möchten, kann ich Ihnen seine Telefonnummer heraussuchen. Es dauert nicht lange und...«
»Danke für Ihre Mühe«, sagte ich. »Aber das wird nicht nötig sein. Wir werden den Ort auch ohne Ihre Hilfe finden.«
»Sie wissen auch, wie Sie an Mr. Hogan herankommen können?« fragte sie.
»Ja, ich denke schon.«
Denise Brown lächelte verlegen. »Das ist dann wohl alles gewesen«, sagte sie leise. »Ich werde hier noch einige Tage zu tun haben und dann ebenfalls gehen. Die Büros hier haben bereits einen Nachmieter gefunden. Mein Gott, es war ein Schock, als ich von Mr. Freemans Tod erfuhr. Er ist nicht einmal vierzig Jahre alt geworden und hatte noch soviel vor. Er wollte sein Geschäft ausweiten.
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