Werwolf-Spuk
Fehler gemacht.«
»Welchen.«
»Sie haben den Tiger zu sehr gereizt.«
Maxine schüttelte den Kopf und lachte. »Wollen Sie damit andeuten, dass Sie der Tiger sind?«
»Genau.«
Maxine breitete ihre Arme aus. »Sehen Sie, wie ich zittere, großer Tiger?«
Lester sagte erst mal nichts. Er schaute die Tierärztin nur scharf und starr an. Unter diesem Blick konnte ein Mensch leiden, aber Maxine riss sich zusammen und hielt ihm stand.
»Ich gebe Ihnen einen letzten Rat, Frau Doktor. Halten Sie sich zurück. Stören Sie nie mehr meine Kreise. Sie würden es schrecklich bereuen, das verspreche ich.«
»Das hörte sich an wie eine Drohung.«
»Ist mir egal.«
»Nur mag ich es nicht, wenn man mir droht. Ich kann Ihnen auch etwas versprechen, Mr. Lester. Alles, was Sie mir gesagt haben, interessiert mich nicht. Ich werde weitermachen, darauf können Sie sich verlassen. Ob Ihnen das nun passt oder nicht.«
Richard Lester sagte nichts. Er lächelte nur. Aber dieses Lächeln verströmte Eis. Maxine fühlte sich durch das Lächeln und durch den Blick wie seziert. Als wäre ein Messer dabei, sie in Stücke zu schneiden.
Dieser Mann war ihr Feind. Und wenn sie seine Reaktion richtig deutete, sogar ihr Todfeind.
»Hauen Sie ab, Lester!«, flüsterte sie scharf. »Verlassen Sie mein Grundstück, bevor ich mich übergeben muss. Ich kann Ihre Visage nicht mehr ertragen.«
Er grinste noch immer. Dabei sagte er: »Seien Sie froh, dass Sie eine Frau sind.«
»Und wenn ich keine wäre? Was hätten Sie dann getan? Hätten Sie mich erschossen?«
»Das überlasse ich Ihnen, Lady. Aber ich will Ihnen noch sagen, dass Sie den Bogen überspannt haben. Sie sind einfach zu stur und hören auf keine Warnungen.«
Mehr sagte er nicht. Lester drehte sich herum und ging den Weg zurück, den er gekommen war. Auf dem Kies verursachten seine Schritte knirschende Geräusche, die allmählich verklangen.
Maxine Wells schaute ihm zornig nach. Zugleich hätte sie auch heulen können. Typen wie Lester waren eiskalt. Die hätten hervorragend in den alten Manchester-Kapitalismus hineingepasst. Manchmal konnte man meinen, dass diese Zeit dabei war, zurückzukehren.
Der Cherokee fuhr an, und seine Reifen quietschten. Die Tierärztin konnte sich vorstellen, dass jemand wie Lester fast an seiner eigenen Wut erstickte, aber das war ihr egal. Sie wollte nicht, dass er und seine Jagdgenossen die Tiere abknallten, als wären sie Zielscheiben auf dem Jahrmarkt.
Das interessierte die Menschen nicht, die nur auf ihr Vergnügen aus waren.
Maxine ging wieder zurück ins Haus. Dass ihre Wangen gerötet waren, lag nicht nur an der Kälte. Sie war unbeschreiblich wütend. Dass sie bei Lester auf Granit beißen würde, hatte sie sich schon gedacht. Dass er jedoch mit Drohungen nicht zurückhaltend gewesen war, machte sie schon nachdenklich. Sie schätzte ihn als einen Menschen ein, der so etwas auch in die Tat umsetzte.
Aus dem Halbdunkel des Flurs erreichte sie Carlotta’s Stimme. »Wer war das denn?«
»Du bist auf?«
»Na klar.«
»Komm mit in die Küche. Ich muss einen Schluck trinken, um den schlechten Geschmack aus der Kehle zu bekommen.«
»Er hat Schuld daran, nicht?«
»Ja.«
»Wer war der Typ denn?«
Erst in der Küche gab Maxine die Antwort. »Richard Lester.«
»Was? Das war dieser Lester?«
Maxine öffnete die Kühlschranktür. »Genau, dieser Lester.«
»Seinetwegen hast du doch diese Zettel verteilt. Mit deinem Text darauf.«
Maxine schenkte sich Milch mit leichtem Vanillegeschmack ein. »Das war er leider.«
»Und was wollte er von dir?«
Die Tierärztin trank erst einen Schluck. »Er wollte mich warnen. Er hat mir erklärt, dass ich den Bogen überspannt habe und wir praktisch Feinde sind. Um bei seiner Sprache zu bleiben, er hat mich zum Abschuss freigegeben.«
Sie konnte wieder lächeln, aber Carlotta lächelte nicht darüber, In Gedanken versunken stand sie am Küchentisch und schaute ins Leere.
»Was ist mit dir?«, fragte Maxine.
»Ich sorge mich um dich.«
»Keine Angst, das packe ich schon. Es wird nichts so heiß gegessen wie man es kocht.«
»Bei dir ist das was anderes.«
»Wieso?«
»Du bist nicht wie jedermann.«
»Hoho, jetzt übertreibst du aber.«
»Nein, du bist stärker. Das wissen deine Feinde. Der Kerl ist nicht zufällig vorbeigekommen. Auch die Vorgänge in der Nacht sind kein Zufall gewesen. Lester wollte dir eine allerletzte Warnung zukommen lassen, nachdem der Überfall in der Nacht nicht
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