Werwolf-Spuk
nur braune Erde, aus der hin und wieder ein paar verfaulte Halme schauten.
Carlotta sprach nichts. Sehr ernst schaute sie nach vorn durch die Scheibe. Die Lippen lagen aufeinander, sodass sie beinahe einen Strich bildeten. Ich konnte mir gut vorstellen, dass sich ihre Gedanken um Maxine drehten. Für Carlotta war die Tierärztin mehr als nur eine Freundin.
Am Ende des großen Feldes, über dem sich ein hoher Himmel ausbreitete, zeichnete sich schon ein dunkler Schatten ab, der wie eine breite Wolke aussah, die ihren hohen Standort verlassen hatte.
»Das ist der Wald«, sagte Carlotta.
»Gut.«
Sie blickte durch das Seitenfenster hoch und meinte: »Ich kann den Mond bereits sehen.«
»Und? Welche Farbe hat er?«
»Noch ist er blass.«
»Sehr gut. Dann wird die andere Seite noch warten müssen. Erst wenn er dieses satte Gelb besitzt, werden sie sich unter seiner Kraft winden.«
Das Vogelmädchen gab mir keine Antwort. Es verstrickte sich in die eigenen Gedanken, und ich hätte nur zu gern erfahren, worum die sich drehten.
Im Fond sprach Suko leise auf unseren Informanten ein. Ich spitzte die Ohren, um zu erfahren, was sie sagten.
»Sie müssen versuchen, sich zusammenzureißen, Amos. Sie dürfen der anderen Macht keinen freien Lauf geben.«
»Das geht nicht.«
»Kämpfen Sie!«
»Es ist stärker. Dieser Keim steckte doch in mir. Ich habe es erlebt. Schon mehrmals. Es fängt immer so an, aber diesmal ist es sogar früher gekommen. Der Mond ist jetzt ganz rund und voll. So hat er die meiste Kraft.«
Suko warf ihm einen knappen Blick zu. Amos Irving saß noch ruhig auf seinem Platz, doch es war zu sehen, dass es ihm immer schwerer fiel, sich zu beherrschen. Wenn er atmete, dann schnaufend. Er hatte seine Hände wieder zwischen die Knie geklemmt, um sie unter Kontrolle zu halten. Aber er wusste auch, dass er nicht gegen die Kraft ankam, die ihn beherrschte.
In seinem Gesicht bewegte sich der Mund. Er verzog auch die Nase, und der erste Schweiß sammelte sich auf seiner Stirn. Er fing noch nicht an, sich zu verändern, aber es würde nicht mehr lange dauern, bis er in das Stadium zwischen Mensch und Bestie hineinglitt.
Ich hoffte, dass wir das Ziel bald erreichen würden. Wir näherten uns bereits dem Ende des Feldwegs, und mein Blick fiel auf eine graue Querstraße. Direkt in den Wald hineinfahren, war nicht möglich, und meine junge Freundin dirigierte mich nach links.
»Okay«
»Weit ist es nicht mehr. Es gibt an der rechten Seite einen schmalen Weg, den kannst du nehmen.«
»Verstanden.«
Zunächst kam uns ein großer Truck entgegen, der frische Ware in seinem Hänger transportierte. Er war zu einem rollenden Kühlhaus umfunktioniert worden.
Der Wagen donnerte vorbei, und wir glaubten sogar, noch den Luftstrom zu spüren.
»Fahr jetzt langsamer, bitte.«
»Mach ich doch glatt.«
Carlotta hielt jetzt besonders scharf die Augen offen. Anscheinend musste sie sich selbst noch orientieren, doch als ich ihren leisen Ruf hörte, wusste ich Bescheid.
»Fahr schon mal nach rechts, dann hast du es gleich.«
Ich tat, wie mir geheißen worden war. Die Räder drehten sich leicht nach rechts, und mitten auf der Fahrbahn sah ich bereits die Einmündung in den Wald.
Und ich sah das Schild. Es wies darauf hin, dass dieser Weg nur für Nutz- und Arbeitsfahrzeuge zu befahren war. Darum kümmerten wir uns nicht. Der Wagen holperte über die Einmündung zwischen Straße und Weg hinweg, dann lag der Wald mit seiner schmalen Öffnung vor mir. Wir rollten auf ein düsteres Tor zu. Ich hütete mich davor, die Scheinwerfer einzuschalten, weil ich keine Aufmerksamkeit erregen wollte...
Der Pfad war alles andere als eben. Vom letzten Sturm lagen noch Ast- und Zweigreste auf dem Boden, die von den Reifen hochgewirbelt wurden und manchmal gegen die Karosserie schlugen, als wäre das Blech ein Trommelfell.
Carlotta saß gespannt neben mir. Sie hatte sich leicht nach vorn gebeugt. Ihre Augenbrauen waren leicht zusammengezogen, und sie schaute starr nach vorn.
»Kennst du dich hier aus?«, fragte ich.
»Überhaupt nicht. Nur aus der Luft. Es hat mir im Sommer immer Freude gemacht, über diesen Wald zu fliegen. Da habe ich richtig gespürt, dass er ausatmete. Es strömte mir immer eine besonders reine Luft entgegen. Das war toll.«
»Kann ich verstehen.«
Je tiefer wir in den Wald hineinfuhren, desto dunkler wurde es. Dennoch verzichtete ich auf das Licht. Trotzdem sah ich, dass sich vor uns der Weg verengte. Die
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