Werwolf-Spuk
ihr versteckt, aber darauf wetten wollte sie auch nicht. Sie würde jedenfalls an der anderen Seite ins Freie klettern.
Maxine löste sich von der Bank und bewegte sich tief geduckt auf die hüfthohe Abgrenzung zu. Der Blick darüber hinweg zeigte ihr nichts Besonderes. Eine freie Fläche und dahinter der kompakte Wald, des keine Lücke erkennen ließ.
Für einen langen Moment dachte sie darüber nach, ob es nicht besser wäre, bis zur Dunkelheit abzuwarten. Dann verwarf sie den Gedanken wieder und machte sich auf den Weg.
Nichts im Leben war ohne Risiko, das hatte sie inzwischen auch gelernt. Maxine überkletterte das Hindernis und bemühte sich, so wenig Geräusche wie möglich zu machen. Wenn die andere Seite merkte, was los war, würde sie keine Gnade kennen.
Die Tierärztin schaffte es. An der anderen Seite glitt sie nach unten und blieb auf dem Boden liegen. Noch gab ihr die Wand Schutz. Das blieb in den folgenden Sekunden so, und so drängte sie ihre Furcht etwas zurück. Den ersten Schritt zum Ziel hatte sie getan. Jetzt würde sie auch nicht mehr zurück gehen.
War etwas zu hören?
Nein, nur zu riechen, denn der feuchte Geruch des Waldbodens drang in die Nase. Sie empfand ihn nicht mal als unangenehm. Keine Geräusche, keine Stimmen in der Nähe, nur der Wald atmete das aus, was in ihm steckte.
Sie hatte die Möglichkeiten, schnell zu laufen oder langsam zu schleichen. Obwohl es sie zur Flucht drängte, entschied sich Max für die letzte Möglichkeit.
Bis zum Wald hin wollte sie über den Boden robben, ähnlich wie ein Rekrut in der Ausbildung.
Sie drehte ihren Körper nach rechts und blieb auf dem Boden. Sehr behutsam schob sie sich weiter, wobei sie ein Geräusch nicht vermeidet konnte.
Sie blieb immer mit dem Boden in Kontakt und schwebte nicht über ihn hinweg.
Abstützen auf den Ellenbogen. Den Körper immer wieder vorziehen. Dabei den Arm regulieren. Auf jedes Geräusch achten. Nur nicht zu laut sein und den Feinden einen Hinweis geben. Soldaten hätten sich nicht anders verhalten.
Und Maxine schaffte es. Der kurze Weg, der ihr zunächst so lang vorgekommen war, brachte ihr keine Probleme. Es hielt sie auch niemand auf, und allmählich wandelte sich der Pessimismus in das glatte Gegenteil um. Sie konnte sich wieder auf etwas freuen und machte sich schon Gedanken darüber, wie sie den Fall zusammen mit John Sinclair weiter angehen wollte.
Etwas kratzte gegen ihr Gesicht.
Sofort lag sie still.
Dann stellte sie fest, dass sie den Rand des Unterholzes erreicht hatte. Hier lagen einige Aststücke und Zweige auf dem Boden, die der Wind von den Bäumen geholt hatte. Das meiste Zeug war unter dem frischen Laub vergraben, das trotzdem nach Friedhof roch.
Die Tierärztin richtete sich auf. Wieder war sie vorsichtig und bewegte sich nur im Zeitlupentempo. Sie schielte dabei zurück zur Grillhütte, aber dort bewegte sich nichts. Die vier Männer hielten sich noch verborgen und sie konnte nur hoffen, dass ihre Flucht von ihnen noch nicht bemerkt worden war.
Noch sah sie im Halbdunkel die Unterschiede vor sich. Die Lücken zwischen den Bäumen, mal größer, mal kleiner. Das war also nicht das Problem. Für sie gab es ein anderes. Sie hätte sich gern lautlos bewegt, was leider nicht möglich war. Bei jedem Schritt raschelte das Laub, und in der Stille würde man dieses Geräusch viel weiter hören.
Deshalb musste sie so behutsam wie möglich Vorgehen. Den ersten Schritt nach vorn tat sie, als würde sie durch hüfthohes Wasser tappen. Sie hob das rechte Bein sehr hoch an, drückte es dann nach vom in eine Lücke hinein und berührte mit dem Fuß so leicht wie möglich den mit Laub bedeckten Boden. Es gelang ihr nicht lautlos, aber was sie hörte, hielt sich in Grenzen und war hoffentlich nur für ihre Ohren bestimmt.
Ein scharfes Lächeln umspielte ihre Lippen. Sie setzte den Weg fort und hielt sich jetzt mit einer Hand an einem Ast fest. Sie hatte es geschafft, eine Lücke zwischen zwei Bäumen zu erreichen.
Dort blieb sie stehen, um zu lauschen.
Hinter sich vernahm sie nichts, aber was plötzlich vor ihr geschah, gefiel ihr nicht. Etwas raschelte. Da nahm niemand Rücksicht. In der Dunkelheit hörte sich das Geräusch lauter an. Als hätte jemand seinen Hund losgelassen, der jetzt durch den Wald rannte, um seinen Herrn oder seine Frau zu suchen.
Hund oder Wolf?
Der Gedanke brannte sich in ihrem Kopf fest. Automatisch wurde sie wieder an den Besuch in der vergangenen Nacht erinnert. Da
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