Werwolfkind (German Edition)
stand in einer telepathischen Verbindung mit Benito. Oder sie erriet, was er dachte.
»Schwächling«, spie sie hervor. Dann grinste sie triumphierend. »Und du kannst doch nicht gegen den Trieb ab. Du bist ein Werwolf, wie alle ältesten Söhne der Lampedusas. – Schließ dich uns an.«
»Niemals! Eher stürze ich mich in die Hellebarde und bringe mich damit um.«
»Willst du mich nicht haben? Willst du nicht… Sex mit mir?«
Wieder bewegte sie ihren Unterleib vor und zurück. Ricardo schüttelte den Kopf.
»Du bist die Buhle meines Bruders.« Benito war der älteste und einzige Sohn des Marchese Silvio aus dessen erster Ehe. »Und ein widerliches Ungeheuer. Lieber wäre ich tot und würde in der Hölle schmoren, als mit dir zu verkehren, Wolfsweib.«
Sie lachte.
»Warum denn so melodramatisch, mein Lieber? Du kannst deinem Schicksal nicht entkommen. Es ist deine Bestimmung, ein Werwolf zu sein. Irgendwann wirst du winselnd angekrochen kommen und uns bitten, dass wir dich aufnehmen, uns mit dir zusammentun. – Du spürst doch den Vollmond. Irgendwann, bald schon, bricht die Lykanthropie bei dir durch. Denke nur an das Mondlicht, wie du dich darin badest, das bleiche und kalte Feuer. Wie stark du dann bist, wie orgiastisch. Wie deine überscharfen Sinne dir deine Umgebung zeigen – welche Kraft dich erfüllt. – Es ist pure Ekstase, ein Werwolf zu sein. – Blut zu vergießen, deine dunkle Bestimmung auszuleben. Den Geschmack des Bluts deiner Opfer zu schmecken, die Kraft zu empfangen, die es dir gibt. Wie du ihre Todesangst genießt.«
»Niemals, niemals, niemals! Das kann ich nicht, und ich will nicht. Ich bin ein Mensch, bin ein Mann – bin kein Untier.«
»Sieh dich doch an.«
»Das ist nur vorübergehend. Ich bin stärker als dieser Trieb. Ich werde einen Weg und einen Ausweg finden.«
»Das kannst du nicht, und das willst du nicht. Bald wirst du es nicht mehr wollen.«
»Ich habe Frau und Kind.«
»Deine Frau – wirst du zerreißen. Und dein Kind, ja, dein Sohn… er ist dasselbe wie du. Er trägt ja den Keim in sich, dieser älteste Sprössling eines Lampedusa. Er verwandelt sich bereits bei Vollmond.«
»Verfluchte, woher willst du das wissen? Das sagst du nur um mich zu quälen.«
Beatrice grinste teuflisch und sagte: »Ich weiß es. Es ist eure Bestimmung. Bald schon wird es geschehen, sehr, sehr bald. Du wirst dieses Weibchen töten, das dir einen Sohn gebar, und…«
»Halt dein Schandmaul, oder…« Ricardo ergriff die zerbrochene Hellebarde. Er hob das Ende mit der Spitze und dem Beil und holte zum Wurf aus. »… ich nagele dich an die Wand.«
Da wich Beatrice ans Ende des Verlieses zurück und duckte sich. Benito in seiner Wolfsgestalt lief zu ihr.
»Töte mich nicht«, winselte Beatrice. »Ich bin wehrlos. Du würdest einen Mord begehen.«
»Die Tötung von einem Ungeheuer, ohne das die Welt besser dran ist.«
Ricardo zögerte. Er holte zum Wurf aus, ruckte mit dem Arm vor. Doch ein innerer Widerstand bremste ihn. Er konnte es nicht.
Schwer atmend warf er die zerbrochene Hellebarde weg.
»Ich lasse euch am Leben, ihr Ungeheuer«, sagte er. »Doch es wird keiner mehr kommen, um euch zu befreien. – Ich sollte euch in den tiefen Brunnenschacht unter der Burg werfen und dort elend krepieren lassen.«
Benito und Beatrice gaben keinen Ton von sich. Sie wussten, dass sie Ricardo nicht weiter reizen durften. Zu viel hatten sie ihm schon zugemutet. Er klemmte sich die MPi unter den Arm und setzte sich an die Quadersteinmauer, um sich zu sammeln und wieder zu sich zu kommen. Um wieder ein Mensch zu werden, ohne die teuflische Lykanthropie.
Sein Atem ging stoßweise.
Die beiden Mafiosi regten sich wieder. Im Streulicht der Lampe schauten sie Ricardo mit seinem heraushängenden, blutbefleckten Hemd ängstlich an. Sie waren kaltblütige Verbrecher. Doch jetzt zitterten sie.
»W-wirst du uns töten, Werwolf?«, fragte der Stämmige.
Er hatte sich aufgesetzt. Sein Hals blutete, doch tödlich war diese Wunde nicht. Ricardo schüttelte den Kopf.
»Ich lasse euch leben, ihr Ratten. Und ich bin…« Er hatte sagen wollen, dass er kein Werwolf sei. Doch das unterließ er. Es war besser, wenn die Mafia ihn dafür hielt. Denn dann fürchteten sie ihn weit mehr als einen normalen Menschen. »Verschwindet, lasst euch hier nie wieder blicken.«
Er fügte hinzu: »Sagt eurem Don Fabiano Ferragusta, wenn er noch einmal versucht, Benito und dieses scheußliche Weib befreien zu lassen, wird
Weitere Kostenlose Bücher