Werwolfkind (German Edition)
er es nicht überleben. Ich habe Verbündete in den Kalabrischen Bergen. Oder ich komme selbst, um ihm die Kehle herauszureißen. – So wahr mir der Teufel helfe.«
Es stimmte nicht, dass Ricardo mit ihm verbündete Werwölfe hatte. Doch das hatte er dem Wortsinn nach auch nicht gesagt. Er betete den keinesfalls den Teufel an, an den er so wenig glaubte wie an Gott – meinte er jedenfalls, denn tief in ihm verwurzelt war die Überzeugung, dass es eine höhere Macht gäbe, die die Geschicke der Menschen lenkte.
Er verbot Francesca ihre Frömmigkeit nicht. Francesca kniete des Öfteren in der Schlosskapelle, die sie wieder hatte herrichten lassen. Sie betete nicht für sich, sondern für ihr Kind und für die Seele von Ricardo di Lampedusa, der Marchese und – ein Werwolf war.
Denn Werwolf blieb immer Werwolf. Der Keim schlummerte in ihm, und er konnte jederzeit wieder ausbrechen, auch wenn die Lykanthropie zum Stillstand gebracht worden war.
Ricardo stand auf und nahm die Maschinenpistole. Er scheuchte die zwei Mafiosi hoch. Stöhnend richteten sie sich auf, betasteten ihre Glieder. Sie hatten sich nichts gebrochen. Vom Hals des Stämmigen rann das Blut. Doch Ricardo hatte ihm nicht die Kehle aufgerissen oder die Halsschlagader zerbissen.
Das rührte einerseits daher, dass sein Gebiss nicht vollständig zu den Reißzähnen des Werwolfs mutiert war. Und er hatte nicht mit aller Kraft und Entschlossenheit zugebissen. Doch den Geschmack des Bluts, das über seine Lippen geflossen war würde er nie vergessen.
Noch niemals hatte er ein größeres Tier oder gar einen Menschen getötet.
»Verschwindet!«, fuhr er die zwei Gangster an. »Wenn ihr euch noch einmal hier blicken lasst, zerreiße ich euch.«
Um das zu bestätigen stieß er ein Geheul aus, so schaurig, wie er es nur fertig brachte. Die beiden Verbrecher stolperten los, weg von dem Verlies, den unterirdischen Gang entlang in Richtung vom Ausgang des Geheimgangs. Ricardo folgte ihnen und leuchtete mit der Stablampe.
Der Stämmige und der Große beeilten sich. Ihre Zähne klapperten wie Kastagnetten. Als sie den Ausgang erreichten und draußen vorm von der Brombeerhecke überwucherten Hang standen, goss der Vollmond sein helles silbriges Licht aus. Er strahlte auf das Castello Lampedusa mit seinen vier Ecktürmen nieder, mit seinen Mauern und Zinnen und dem Hauptgebäude mit dreißig Zimmern, wo im Schlafzimmer des Marchese und der Marchesa Licht brannte. Das Schlafzimmer befand sich im ersten Stock der von wildem Wein romantisch berankten Mauer.
Francesca ist wach, dachte Ricardo. Rasende Kopf- und Gliederschmerzen plagten ihn. Der Werwolfkeim in seinem Innersten, der ein Teil seines Wesens war, verursachte sie. Ricardo vermied es, sich dem vollen Mondlicht auszusetzen. Er hätte sonst für nichts garantiert.
Er trat dem Stämmigen und dem Großen nacheinander heftig in den Hintern. Der kräftige Tritt ließ den Stämmigen zwischen die Brombeeren fliegen. Der Große wurde vorwärtsgestoßen und hielt sich den Steiß.
»Setzt euch in eure Karre, fahrt weg!«, befahl ihnen der Marchese. Seine Stimme grollte aus dem finsteren Gang hinter der offenen Tür. »Sofort.«
Die beiden Männer rannten, stolperten, fielen hin, rafften sich wieder auf, verschwanden im Wald. Erst bei ihrem Landrover blieben sie stehen. Der Große suchte in seinen Taschen nach dem Autoschlüssel, fand ihn nicht gleich und geriet in Panik.
Er glaubte schon, das Auto knacken und kurzschließen zu müssen. Ihm war jede Minute zuviel, die er noch in der Nähe von Castello Lampedusa verblieb. Da endlich fand er den Schlüssel, er hatte ihn zuvor aufgeregt wie er war und in Hektik übersehen.
Er brauchte drei Versuche, bis er den Landrover aufgeschlossen hatte, so zitterte ihm die Hand.
Der Stämmige flüsterte seinem Kumpan heiser zu: »Don Fabiano wird zornig, wenn sein Auftrag nicht ausgeführt wird. Mit Versagern kennt er keine Gnade. – Wir haben eine Lupara im Auto liegen, Aldo, und ein paar Patronen mit Silberschrot. Wir könnten sie nehmen und zurück gehen, den Werwolf-Marchese töten und Don Benito und dieses Weib befreien, wie es uns aufgetragen wurde. – Ich habe auch noch ein silbernes Stilett in der Tasche.«
»Dann geh doch, wenn du es wagst.«
»Ich? Wieso ich? Du bist der Ranghöhere von uns.«
»Va là. Ach was. Tu du es, von dir kam der Vorschlag.«
»Ich? Nein. Um nichts in der Welt gehe ich noch einmal zurück. Lieber setze ich mich Don Fabianos Zorn aus,
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