Werwolfkind (German Edition)
röchelnden Gegners. Es war wie ein Orgasmus, eine Ekstase des Tötens.
Im letzten Moment beherrschte sich der Marchese und löste die Zähne vom Hals des Gegners. Aus dem Augenwinkel sah er, wie der zweite Verbrecher mit der Hellebarde nach ihm stach. Er fegte sie zur Seite.
Benito knurrte und hechelte in seinem Verlies. Die Nackte bleckte die Zähne und hob die gekrümmten Hände, beide konnten sie jedoch nichts ausrichten.
Ricardo versetzte dem stämmigen Mafioso, der unter ihm lag, einen krachenden Faustschlag ans Kinn. Damit war er erst einmal betäubt. Der halb zum Werwolf mutierte Marchese rang mit dem größeren Mafioso um den Besitz der Hellebarde mit der silbernen Spitze.
Er spürte die Ausstrahlung des Silbers. Sie war ihm unangenehm, doch solange sich das Silber nicht in seinen Körper bohrte oder er direkten Kontakt damit hatte, schadete es ihm nichts.
Mit gewaltiger Kraft entriss Ricardo seinem Gegner die Hellebarde. Er zerbrach ihren Stiel über dem Knie.
Dann ging er wie das personifizierte Verhängnis auf den Mafioso zu. Dem schlotterten die Knie. Doch er zog eine Beretta aus der Schulterhalfter unter der linken Achsel. Die Stablampe war dem Stämmigen entfallen, der jetzt betäubt auf den kalten Steinfliesen lag. Ihr Lichtkegel strahlte in die andere Lichtung.
Doch das Streulicht reichte gut aus, um alles zu erkennen. Zudem sah der fast schon zum Werwolf verwandelte Ricardo weit besser als ein Mensch. Ein Werwolf sah auch bei Nacht wie eine Katze, und er witterte ungeheuer scharf.
Ricardo roch den Gestank seines Halbbruders und seiner Geliebten in dem Verlies penetrant. Er war ihm unangenehm, er konnte Benito im wahrsten Sinn des Wortes nicht riechen.
Der Große richtete mit zitternder Hand die Beretta-Pistole auf den behaarten Marchese mit den rotglühenden Augen. Doch Ricardo schlug ihm die Waffe mit einer blitzschnellen Bewegung aus der Hand. Er packte den strampelnden Gegner bei der Kehle und hob ihn einhändig hoch, als ob er so leicht wie ein Strohbund sei.
Die Augen des Gangsters flackerten vor Angst. Seine Hose wurde nass, vor lauter Angst hatte sich seine Blase entleert.
Ricardo knurrte. Mit aller Gewalt kämpfte er gegen den übermächtigen Drang an, zu töten, zu zerreißen, Blut zu vergießen. Die vorübergehende Heilung nach Professor Cascias Ritual hatte den lykanthropischen Drang in ihm noch stärker werden lassen. Es ging ihm wie einem, der einen schweren Rückfall in eine Krankheit erlitt – sie brach stärker aus als zuvor.
Ricardos Gebiss veränderte sich. Seine Hände wurden zu Klauen. Aufbrüllend, dass es im Gewölbe widerhallte, packte er den Mafioso mit beiden Händen und warf ihn gegen die Gitterstäbe des Verlieses, dass es nur so krachte.
Der Mafioso sank nieder und wimmerte. Ricardo warf sich zu Boden, kauerte auf allen Vieren, verbarg sein Gesicht und heulte schaurig. Tränen strömten ihm über die haarigen Wangen.
Ich will nicht, ich will nicht, ich will nicht, hämmerte er sich ein. Gott schütze mich, hilf mir – stehe mir bei, wer kann. Eigentlich war er Atheist. Doch in dem Moment nicht.
Als er sich wieder aufrichtete, hatten sich seine Gesichtszüge etwas entspannt. Die Verwandlung war zurückgegangen. Benito heulte enttäuscht auf.
Die Nackte jedoch hetzte, die Finger um die Gitterstäbe gekrallt: »Töte, Ricardo, töte. Du willst es doch. Du bist nicht besser als wir. Du kannst nicht gegen deine wahre Natur an.«
Sie vollführte obszöne Bewegungen mit dem Unterleib, bewegte die Hüften vor und zurück.
»Willst du dich nicht mit mir paaren? Ich bin Beatrice Verruchio, die Wölfin der Nacht. Wer meine Leidenschaft schmeckt, will nie wieder eine menschliche Frau haben.«
»Verflucht sollst du sein, Ungeheuer!«, stieß der Marchese hervor. »Ich sollte euch beide töten.«
Seine Hände normalisierten sich weiter. Er ergriff die Maschinenpistole, die dem Stämmigen entfallen war, und entsicherte sie, legte den Finger an den Abzug. Er spürte die Silberkugeln im Magazin. Dreißig Silbergeschosse konnte er hinausjagen, mehr als genug, um die beiden Werwölfe in dem Verlies zu töten.
Doch etwas hielt ihn zurück. Benito war sein Halbbruder, so wie er der Sohn seines Vaters. Und die beiden Eingesperrten waren wehrlos. Ricardo starrte sie an.
Dann warf er die Maschinenpistole weg.
»Ich töte euch nicht«, sagte er grollend. »Ihr werdet meine Gefangenen bleiben. Doch freut euch nicht zu früh. Ihr kommt hier nie wieder heraus.«
Beatrice
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