Werwolfkind (German Edition)
als es noch einmal mit dieser Bestie aufzunehmen. Mit dem Werwolf-Marchese. Ums Haar hätte er uns ermordet.«
Der Stämmige vergaß, dass es kein Mord gewesen wäre. Denn Ricardo hätte sie im Kampf getötet, und sie waren bereit gewesen, ihn umzubringen. Die beiden Männer stiegen ein. Der Größere zitterte so, dass ihn der andere zurechtwies.
»Steig aus, ich rücke rüber, wir tauschen den Platz. Ich fahre. Du zitterst ja wie ein Entenarsch.« Missbilligend schaute er auf die nasse Hose des andern. »Und du hast dir in die Hose gepisst. Du, Aldo Moreno, den sie den Schrecklichen nennen.«
»Was würdest du tun, wenn dich ein Werwolf an der Kehle hätte? Verrat es bloß keinem, sonst…«
»Er hatte mich zuerst bei der Kehle. Er hat mich sogar gebissen.«
Der Stämmige fuhr los. Sein Kumpan saß neben ihm. Beide waren sie totenblass. Der Große schaute auf den blutigen Hals seines Kumpans.
»Pass bloß auf, dass du kein Werwolf wirst«, sagte er. »Die Lykanthropie wird durch einen Werwolfsbiss übertragen.«
Der Stämmige bebte.
»Deshalb lasse ich die Wunde bluten. Es sollen keine Bazillen von dieser Bestie hineingelangen und mich infizieren.«
Aldo sagte ihm nicht, dass diese längst hineingekommen seien. Er beschloss, Don Fabiano von seiner Befürchtung zu erzählen. Dann musste der Don entscheiden, was geschehen sollte. Der schwarze Landrover fuhr durch den Wald. Die beiden schwarz gekleideten Männer saßen darin. Der Angstschweiß hatte helle Furchen in ihre geschwärzten Gesichter gegraben. Sie wurden erst wieder ruhiger, als der Wald und das verfluchte Schloss ein paar Kilometer hinter ihnen lagen.
Sie fuhren nach Reggio di Calabria, um ihrem Don zu berichten und sich seinem Urteil zu stellen. Vorher reinigten sie ihre Gesichter. Sie hatten beim Kampf mit dem Werwolf-Marchese Prellungen und Beulen davongetragen. Der Stämmige war am Hals verwundet. Aldo, der Große, trug die Abdrücke der Werwolfpranke am Hals, wo ihn Ricardo gepackt gehabt hatte.
Sie waren froh und schätzten sich glücklich, noch am Leben zu sein.
3. Kapitel
Ricardo hatte die Tür zu dem Geheimgang geschlossen und von innen einen Keil daruntergeschoben. Da kamen Eindringlinge nur noch mit einem Rammbock oder Sprengladung durch. Der Marchese kehrte durch den Geheimgang ins Schloss zurück. Er kam in dem Gewölbe hinter dem Weinkeller mit den großen, auf Spezialkonstruktionen ruhenden Fässern hervor.
Ricardo trank wenig – der Alkohol gab ihm nichts. Zu den Mahlzeiten genoss er verwässerten Wein, wie es viele Italiener taten, und ab und zu gönnte er sich ein besonderes Glas. Er hatte den Schlüsselbund, mit dem der stämmige Mafioso die Tür zum Werwolfsverlies hatte aufsperren wollen, abgezogen und an sich genommen.
Die Stablampe legte er in der Eingangshalle des Castellos weg. Lautlos ging er die Treppe hinauf. Seine Schritte wurden immer langsamer. Was geschehen war, beschäftigte ihn sehr. Er, der sich ohne zu zögern auf die zwei schwer bewaffneten und gefährlichen Mafia-Gangster gestürzt hatte, hatte Angst, seiner Frau gegenüberzutreten.
Doch er musste es tun. Er musste Francesca die Wahrheit sagen. Dass die Heilung durch Professor Cascias Ritual nicht von Dauer gewesen war. Dass er Gefahr lief, zum blutdürstigen Werwolf zu werden, und dass er dann ein enormes Risiko für seine Familie darstellte.
So trat er ins Zimmer.
*
Francesca hatte gehört, was ihr Mann ihr berichtete. Sie saß auf dem Bett, im Negligé und einem seidenen Hausmantel. Er kniete vor ihr und hatte das Gesicht in ihrem Schoß verborgen, als ob er ein kleines Kind sei, das Trost bei seiner Mutter suchte.
Marco schlummerte friedlich. Er wies keine schwarzen Härchen mehr auf.
»Es war alles umsonst. Ich bin ein Werwolf. Unser Kind wird zum Werwolf. Ich habe dem unschuldigen Kind das verfluchte Erbe der Lampedusas weitergegeben. Und ich… jetzt noch schüttelt es mich, und alles in mir schreit danach, dieses Erlebnis zu wiederholen un zu vertiefen, wenn ich daran denke, wie ich das Blut dieses Verbrechers trank.«
Francesca streichelte Ricards Haare.
»Steh auf, Liebster – amore mio. Ich bin deine Frau. Ich liebe dich, und ich werde immer für dich da sein. Wir werden das gemeinsam durchstehen. Du hast diesen Verbrecher ja nur verletzt und nicht umgebracht.«
Sie fuhr fort: »Marco ist auch mein Kind. Das war die letzte Vollmondnacht. Jetzt haben wir vier Wochen Zeit, um uns auf die nächste Vollmondphase
Weitere Kostenlose Bücher