Westwind aus Kasachstan
Wechajew in fröhlichem Ton. »Interessiert Sie das?«
»Besuch?« Sliwkas Stimme hob sich. »Ein Moslem?«
»Ich wußte bis jetzt nicht, daß Frantzenows Schwager zu Allah betet.«
» Weberowsky ist hier?«
»Sie kennen ihn?«
»Nur aus den Akten. Rußlanddeutscher wie Frantzenow. Aktiv tätig in der Aussiedlerfrage. Hat engen Kontakt zum Deutschen Kulturzentrum in Ust-Kamenogorsk.«
»Ihr vom KGB wißt wohl alles?«
»Wir tun unsere Arbeit gründlich. Ich danke Ihnen, General, für den Hinweis.«
»Das sagte Nurgai auch.«
»Sie haben auch Nurgai benachrichtigt?«
»Natürlich. Er ist doch der Vorgesetzte von Frantzenow.«
»Das war – Verzeihung, General – ein Fehler.«
»Wieso?«
»Solche wichtigen Neuigkeiten sollte man zuerst dem KGB melden.«
»Ich war der Annahme, daß der Besuch eines Schwagers kein Anlaß zum Eingreifen des KGB ist. Daß ich Nurgai und Sie anrufe hat nur den Grund, daß dieser Weberowsky wirklich der erste Mensch ist, der bis zu uns vorgedrungen ist und ohne Sondergenehmigung Kirenskija betritt.«
»Genau das interessiert den KGB. Frantzenow hat einen Brief an seine Schwester Erna geschrieben, und schon ist der Schwager da. Üblich ist doch, daß man mit einem Brief auf einen Brief antwortet. Aber was geschieht? Plötzlich ist Weberowsky da! Kein Brief, er kommt selbst. Warum?«
»Fragen Sie ihn selbst. Er ist jetzt bei Frantzenow in der Wohnung.«
»Wie hat Nurgai auf diese Mitteilung reagiert?«
»Zuerst verblüfft, dann nachdenklich.« General Wechajew verstand Sliwkas Frage nicht. »Ich fand es nur merkwürdig, daß er, bevor er wußte, daß es Weberowsky ist, wissen wollte, welche Nationalität der Besucher habe.«
Sliwka nickte mehrmals, was Wechajew nicht sehen konnte. Er erwartet also die Werber aus dem Orient oder aus Asien. Wir wissen, daß überall, auch in Alma-Ata, die iranischen Aufkäufer massiv tätig sind, um an Sprengköpfe und Atomtechnologie heranzukommen. Bald wird ein Sturm auf Kirenskija beginnen, sobald bekannt ist, daß es diese Atomstadt gibt. Und es wird bekannt werden. Die Amerikaner in ihrer Naivität und Pressevernarrtheit erzählen es ja überall herum.
»Darf ich Ihnen einen Rat geben, General?« fragte Sliwka. »Erfahrungen eines Straßenräubers?«
Wechajew lachte. »Ich höre.«
»Bremsen Sie etwas Ihr Vertrauen zu Nurgai.«
»Was heißt das? Was ist mit Nurgai los?«
»Erwarten Sie von mir bitte keine Auskunft. Es war nur ein privater Hinweis.«
»Was wird hier gespielt, Boris Olegowitsch?«
»Ein verflucht heißes und weltbewegendes Spiel! Und wir alle spielen mit, als Akteure oder Statisten. Auf jeden Fall als Betroffene. Mehr darf ich Ihnen im Augenblick nicht sagen.«
»Das klingt nach Alarm, Sliwka!« Wechajews Stimme war plötzlich sehr ernst. »So, als sei es fünf Minuten vor zwölf …«
»Es ist bereits fünf Minuten nach zwölf, aber wir versuchen das Unmögliche: Der Zeit vorauszulaufen. Im Augenblick dementieren wir alles.«
»Wo gibt es was zu dementieren?«
»Es sollen zwei Atomsprengköpfe im Iran gelandet sein. Mit Wissen der kasachischen Regierung. Ein glattes Geschäft: Sprengköpfe gegen Benzin und Devisen. Ein tödlicher Handel.«
»Ist das wahr?!« Entsetzen klang in Wechajews Stimme.
»Leider, General. Und es ist nur die Spitze des Eisberges, wie man so plastisch sagt. Was wirklich geschieht, weiß niemand, und wenn es Moskau weiß, dann schweigt es aus Scham über diese Schande. Die verhätschelte Elite der ›Großen Geister‹, die glühenden Patrioten, von denen Atomminister Viktor Michailow sprach, entpuppen sich als verkappte Kapitalisten! Nach den Unterlagen, die dem KGB vorliegen, sind schon mindestens ein Dutzend Experten verschwunden. Sie werden im Iran, im Irak und in Libyen wieder auftauchen. Es gibt noch viel zu tun für uns.«
Wechajew, mit den Praktiken des KGB vertraut, zögerte nicht, es auszusprechen: »Man wird die Abtrünnigen liquidieren?«
»Wenn nötig … ja.« Sliwka sagte es so kalt, daß Wechajew unwillkürlich den Kopf zwischen die Schultern zog. »Wir werden wieder Sonderkommandos bilden müssen, dieses Mal in enger Zusammenarbeit mit dem CIA. Die Situation verlangt eine enge Zusammenarbeit. Nur so bekommen wir das Problem in den Griff und können es lösen. Wie ich schon sagte –«
»Ist es bereits fünf Minuten nach zwölf!« Wechajew runzelte angestrengt die Stirn. »Ist der Iran in der Lage, eine Atombombe zu bauen?«
»Eine einfache … ja. Aber keinen
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