Westwind aus Kasachstan
brannte höllisch, ein Hustenreiz schüttelte ihn, vor Schmerzen schrie er auf, aber dann trank er weiter, bis Curlis ihm die Flasche aus der Hand riß.
»An Alkoholvergiftung möchte ich Sie nicht sterben sehen«, sagte er. »Genug. Halten Sie sich am Fensterrahmen fest. Wir werden einen Affenzahn drauflegen.«
Er startete, fuhr langsam vom See weg bis zur Straße und gab dort Gas. Der Jeep schien einen Sprung zu machen und schoß dann vorwärts. Frantzenow stöhnte auf, aber der Wodka wirkte schon. Er schwebte in einer Nebelwolke, und der Schmerz wurde dumpfer und dumpfer. Er wollte etwas sagen, aber er lallte nur. Die Finger hatte er in den Fensterrahmen verkrallt und den Kopf darauf gelegt.
Als sei die Straße eine Rennpiste, preschte Curlis an dem staunenden Posten III vorbei, der sofort zum Telefon lief.
»Der Amerikaner ist zurück!« rief er zu dem wachhabenden Offizier. »Jetzt ist er nicht mehr allein. Ein Mann sitzt neben ihm, ein zweiter liegt hinten.«
Der Offizier schlug wieder das Berichtsbuch auf und trug gewissenhaft ein: 13.29 Uhr. Amerikaner zurück mit zwei neuen unbekannten Begleitern. Sonst keine besonderen Vorkommnisse.
Vor dem kleinen Krankenhaus von Kirenskija hielt Curlis mit kreischenden Bremsen. Der Lärm lockte einen Mann in einem weißen Kittel vor die Tür, einen Krankenpfleger. Frantzenow versuchte auszusteigen, schwankte und fiel auf die Straße. Curlis sprang aus dem Jeep.
»Du lieber Himmel«, sagte der Pfleger und starrte auf Frantzenow. »Der Professor ist aber besoffen!«
»Eine Trage!« brüllte Curlis, und plötzlich sprach er russisch. »Glotz nicht so dämlich! Wo ist der Arzt?«
Er stürmte in das Krankenhaus, rannte fast einen zweiten Pfleger um und schrie durch die Eingangshalle: »Einen Arzt! Einen Arzt! Wo ist ein Arzt?«
Es hallte durch das ganze Haus. Eine Tür wurde aufgerissen, und ein Mann, ebenfalls in Weiß, ein weißes Käppi auf dem Kopf, kam heraus.
»Ruhe!« brüllte er als erstes. »Ruhe!« und dann etwas leiser. »Was ist denn los?«
»Draußen in meinem Wagen liegen zwei Männer, die man angeschossen hat!« schrie Curlis zurück. »Professor Frantzenow –«
Der Name genügte. Der Arzt hetzte ins Freie.
Von jetzt an ging alles sehr schnell. Es war, als hätte es in Kirenskija Alarm gegeben. Nacheinander erschienen Nurgai, General Wechajew, Sliwka, der amerikanische General mit zwei Obersten, der Bürgermeister der Stadt und der Chefarzt, der gerade ein Nickerchen gehalten hatte.
Frantzenow lag, besinnungslos betrunken, auf einer fahrbaren Liege. Ein junger Arzt stand hilflos neben ihm und war verzweifelt.
»Ich kann ihm keine Injektion geben«, stammelte er, als der Chefarzt hereinstürzte. »Er ist voll Wodka. Das hält das Herz nicht aus …«
»Coramin!« schrie der Chefarzt. »Geben Sie Coramin!«
Weberowsky lag auf dem Bauch auf einem OP-Tisch und war noch immer ohne Bewußtsein. Sein Atem war flach, aber auf dem Monitor, an den man ihn sofort angeschlossen hatte, zeigte sich eine konstante Herztätigkeit. Der Blutdruckabfall war nicht besorgniserregend. Der Chefarzt atmete auf. Keine inneren Blutungen – das war schon das halbe Leben. Curlis stand am Kopf des Schwerverletzten und ballte die Fäuste, als der Chefarzt sich nach kurzer Untersuchung aufrichtete.
»Nun tun Sie doch etwas!« rief er empört.
»Ich kann röntgen und sehen, wo die Kugel sitzt. Aber mehr kann ich nicht. Ich bin Internist und kein Chirurg.«
»Was ist denn das für ein Krankenhaus?« schrie Curlis. »Es gibt hier keinen Chirurgen?«
»Nein.« Der Bürgermeister versuchte Curlis zu beruhigen. »Alle chirurgischen Fälle kommen nach Ust-Kamenogorsk. Aus Konzentrationsgründen. Wir haben Schwerpunkt-Krankenhäuser, die …«
»Das interessiert mich nicht. Weberowsky muß sofort …«
»Es startet schon ein Hubschrauber der Armee«, unterbrach ihn General Wechajew. »Während Sie hier herumbrüllten, haben wir bereits Ust-Kamenogorsk verständigt. Ein OP-Team steht bereit.«
»Das wollte ich auch sagen«, warf der amerikanische General ein. »Mäßigen Sie sich, Curlis.«
»Hier sind zwei Männer überfallen und angeschossen worden. Sir, das stinkt zum Himmel! Hier wollte man vollendete Tatsachen schaffen.«
»Darüber sprechen wir gleich.« Wechajew blickte Sliwka an. »Waren Sie nicht für die Sicherheit unserer Besucher zuständig, Boris Olegowitsch?«
»Ja, General. Aber wer denkt an so was?« Sliwka begann zu stottern. »Ich habe Professor
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