Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wetterleuchten

Wetterleuchten

Titel: Wetterleuchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
Jenny?« fragte ihre Mutter.
    »Nein.«
    »Komisch.«
    Das war es tatsächlich. Am südlichen Ende der Insel lebten nur wenige Menschen. In Possession Point noch weniger. Wer dorthin zog, war rasch bei allen bekannt. Aber nicht dieses Mädchen. Jenn hatte sie noch nie gesehen.
    Als sie auf den Parkplatz der Gemeinschaftspraxis fuhren, kam Rhonda Mathieson sofort nach draußen und zog wegen der kühlen Aprilwinde den Reißverschluss ihrer Fleecejacke zu. Sie blickte auf den Rücksitz, als Jenn und ihre Mutter aus dem Auto stiegen. Sie sagte: »Bringen wir sie rein«, und zusammen hievten die drei das Mädchen erst in eine Sitz- und, sobald sie aus dem Wagen war, in eine Trageposition.
    Sie brachten sie in einen der Untersuchungsräume, in dem sich sofort der schreckliche Gestank des Mädchens, ihres ungewaschenen Körpers, der ungewaschenen Haare, der ungewaschenen Kleidung und ihres entzündeten Fußes ausbreitete. Ohne ein Wort verteilte Rhonda Mundschutze. Sie sagte: »Bruce hat mir erzählt, du hast sie gefunden?«
    »Unter Eddie Beddoes altem Wohnwagen«, erwiderte Jenn. »Ich habe ein Geräusch gehört und habe nachgesehen.«
    »Das hast du gut macht, Jenn.« Rhonda zog OP-Handschuhe an und nahm ihr Stethoskop. Der Kopf des Mädchens hing auf ihrer Brust. Sie saß auf dem Untersuchungstisch, schien aber nur halb bei Bewusstsein. Ihre Augen waren geschlossen, und sie schwankte zur Seite. Kate McDaniels packte sie und legte sie vorsichtig auf den Tisch.
    Rhonda fing an, das Mädchen zu untersuchen, und hörte als Erstes ihre Brust ab. Sie murmelte: »Die Atemwege sind frei, aber sie hat eine gestaute Lunge.«
    »Lungenentzündung«, murmelte Kate.
    »Eher Bronchitis.«
    »Stirbt sie?«, fragte Jenn.
    »Nein. Aber sie muss unbedingt sofort ärztlich behandelt werden.«
    »Was ist mit ihrem Fuß.?«, fragte Kate.
    »Schauen wir ihn uns mal an.« Rhonda nahm den Fuß des Mädchens und bewegte ihn vorsichtig. Es war nichts gebrochen, erklärte sie ihnen, aber er war in keinem guten Zustand. Sie würden sich das genauer ansehen müssen. Und das Mädchen dürfe ihn nicht belasten.
    »Genauer ansehen« bedeutete, dass sie erst einmal die eklige Socke entfernen und dann die faulige und entzündete Haut freilegen musste. Da war überall Eiter sowie kleine Sternchen, und als Rhonda anfing, den Fuß zu säubern, spürte Jenn, wie ihr bei dem Anblick und dem Geruch übel wurde. Als Rhonda etwas aus der Wunde zog, das klirrend in die Edelstahlschale fiel, war es ganz aus. Jenn entfernte sich von dem Tisch und drückte sich an die Wand. Das Mädchen stöhnte laut und seine Lider fingen an zu flattern.
    »Wie's aussieht, ist sie kilometerweit gelaufen«, murmelte Rhonda. »Es ist mir ein Rätsel, wie sie das mit dem Fuß geschafft hat«. Sie betrachtete das Mädchen genauer, das mit geschlossenen Augen auf dem Tisch liegen blieb. »Wer bist du, Schatz?«, fragte sie. »Wo kommst du her?«
    Sie erhielten eine Antwort, bevor sie die Praxis verließen, als Jenns Dad mit neuen Informationen anrief. Er und Jenns Brüder Andy und Petey waren hinausgegangen, um sich ein wenig umzusehen, sobald Jenn und ihre Mom zur Praxis gefahren waren. Sie hatten hinter dem Holzhaufen einen alten Koffer entdeckt. Darin waren Kleider. Sowie vergammeltes Obst. Und eine ganze Menge Müsliriegel. Und da war auch ein Zettel.
    Er las ihn vor, nachdem Rhonda das Telefon auf Lautsprecher geschaltet hatte:
    Ich heiße Cilla. Ich bin achtzehn Jahre alt. Ich bin ein braves Mädchen. Ich kann nicht sprechen. Ich kann hören, aber ich verstehe nicht immer, was man mir sagt. Es ist Zeit, dass ich auf eigenen Beinen stehe. Ich kann arbeiten, wenn man mir zeigt, was ich tun muss. Ich arbeite im Austausch für Essen und einen Platz zum Schlafen.
    Kates Augen füllten sich mit Tränen, als sie das hörte.
    Jenn fragte: »Wie kann es sein, dass sie hören, aber nicht sprechen kann?«
    Kate antwortete: »Ist sie vielleicht autistisch, Rhonda?«
    Rhonda sagte: »Wenn das der Fall ist, sollten ihre Eltern erschossen werden für das ... für das, was sie getan haben. Haben sie sie einfach in Possession Point ausgesetzt?« Ins Telefon sagte sie zu Bruce McDaniels: »Behalten Sie den Zettel, Bruce. Haben Sie gehört? Behalten Sie auf jeden Fall diesen Zettel.«
    »Okay. Aber warum?«
    »Weil Dave sich die Sache bestimmt genauer ansehen will. Jemand hat dieses arme Mädchen irgendwo ausgesetzt, und auch wenn sie schon achtzehn ist ... Einen Teenager auszusetzen, der nicht

Weitere Kostenlose Bücher