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Wetterleuchten

Wetterleuchten

Titel: Wetterleuchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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noch seine Sheriff-Uniform. In einer Hand hielt er seinen Hut und in der anderen eine Plastiktüte. Er musste wohl gerade erst nach Hause gekommen sein, dachte Derric. Er sah auf die Uhr auf seinem Nachttisch. Es war fast Zeit fürs Abendessen.
    Dave Mathieson sagte: »Ich glaube, die gehören dir«, und öffnete die Plastiktüte, die er dabei hatte. Er zog zwei mit einem Gummiband zusammengehaltene Stapel heraus.
    Derric sah sofort, was das war. Er spürte, wie er zum Eiszapfen erstarrte. »Freude« stand auf jedem Stapel, so wie es auch auf jedem Briefumschlag innerhalb der Packen stehen würde, die von den Gummibändern zusammengehalten wurden.
    Derric rechnete mit dem Schlimmsten. Denn was sagte ein Vater zu seinem adoptierten Sohn, der seine einzige Schwester in Uganda zurückgelassen und dann acht Jahre damit verbracht hatte, ihr Briefe zu schreiben, die er nie ab schickte?
    »Ich habe sie nicht gelesen«,sagte Dave Mathieson. Er legte die Briefe Derric in den Schoß und setzte sich auf den Rand des brandneuen Betts. »Aber sie gehören dir, oder?«
    »Wo hast du sie her?«, presste Derric mit Mühe hervor.
    »Ein Künstler aus Coupeville hat sie heute Morgen im Büro vorbeigebracht. Er hat den alten Sitzsack im Müll gefunden und gleich mitgenommen. Er ist wohl ein regelmäßiger Besucher des Sortierzentrums, wo die Sachen weggeworfen werden. Er macht Kunst aus gefundenen Gegenständen.«
    »Aus einem Sitzsack?« Es schien zu unglaublich, um wahr zu sein.
    Dave Mathieson lächelte. »Das habe ich auch gedacht. Aber er wollte die Füllung aus dem Sitzsack. Es hat ein bisschen gedauert, bis er ihn aufgemacht hat, weil er das Zeug erst gebraucht hat, als er etwas verschicken wollte. Er hat die Briefe darin gefunden, ein paar gelesen, hat gesehen, dass Uganda erwähnt wurde, sowie deinen Namen. Da hat er sich alles zusammengereimt.«
    »Nur aus Uganda und Derric?«
    Dave schüttelte den Kopf. »Er hat die Geschichte im Record gelesen, als du letzten Herbst gestürzt bist. Daher wusste er, wer du bist.« Dave schlug sich auf die Schenkel und machte Anstalten, aufzustehen. »Er hat sie für dich im Sheriff-Büro abgegeben. Was sagst du dazu? Ganz schön nett von ihm, wenn du mich fragst. Er hätte sie auch einfach wegwerfen können. Ich habe seinen Namen und seine Adresse, wenn du dich bei ihm bedanken willst.« Es kam Derric so vor, als sähe ihn sein Vater noch ernster an. »Willst du?«, fragte Dave. »Dich bei ihm bedanken, meine ich.«
    Derric nickte. Er nahm die Briefe, die sein Vater ihm in den Schoß gelegt hatte. Er wollte sie sich ans Herz drücken, aber er wusste genau, wie merkwürdig das aussehen würde. Ungefähr genauso merkwürdig, wie einen Haufen Briefe in einem Sitzsack zu verstecken. Erklärungen hingen in der Luft und warteten nur darauf, von ihm ausgesprochen zu werden. Aber er wusste nicht, wie er das tun sollte oder was passieren würde, wenn er es tat.
    Dave ging zur Tür, blieb dort aber einen Moment stehen. Er schlug mit der Faust leicht auf den Türpfosten und sagte: »Junge, ich will mich nicht in deine Angelegenheiten einmischen. Aber ich weiß, dass irgendetwas mit dir los ist. Die Trennung von Becca. Dann Courtney. Und jetzt diese Freude ...« Er zeigte mit dem Kopf auf die Briefe, als er ihren Namen sagte.
    »Dad«, warnte Derric ihn leise.
    »Ich weiß, ich weiß. Das geht nur dich was an. Aber ich kann mich noch daran erinnern, wie es war, als ich sechzehn war. Wie sich das angefühlt hat, meine ich. Was ich in dem Alter getan und was ich gefühlt habe. Ich kann sehen, dass du eine Menge Zeit damit verbracht hast, an jemanden in Uganda zu schreiben, und ich frage mich ... Ich weiß, dein Leben dort war hart. Vor dem Waisenhaus und im Waisenhaus. Aber du weißt doch, dass du mit mir reden kannst, oder? Gibt es da irgendetwas, das du mir sagen willst?«
    Derric dachte über das Wort »wollen« nach, denn das traf es genau. Er wollte es seinem Vater sagen. Er wollte ihm die Geschichte von Anfang bis Ende erzählen. Aber »nicht können« stand »wollen« im Weg. Er betrachtete seinen Dad und die Sorge in seinem Gesicht. Er sah auch die Liebe in seinen Augen. Aber Sorge und Liebe waren nicht genug.
    Er sagte: »Es ist alles in Ordnung, Dad«, und schenkte ihm ein schiefes, falsches Lächeln. Er hob die Briefe hoch und sagte ganz auf »Unter-uns-Männern<-Art: »Du weißt schon, Mädels.«
    Dave sah ihn an und sagte: »Na schön«, aber er klang kein bisschen überzeugt von Derrics

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