Wetterleuchten

angelassen. Und noch ein weiteres Mal. Dann drehte das Boot, und die Katastrophe nahm ihren Lauf. Das Boot fuhr geradewegs auf die Robbe zu. Nera tauchte unter, und Wasser klatschte an Deck.
    Becca versuchte, sich von Diana loszureißen. Sie wusste, wie die Vision enden würde.
    Eddie sagte gerade: »Das war ein Stück Schrott, und ich hätte es besser wissen müssen. Die Leute sollen sich von dem Wrack fernhalten. Es ist gefährlich, und die beiden Mädels hätten das wissen müssen.«
    Er sah Becca nicht an, während er sprach, aber das war ihr ganz recht, denn ihr war ein wenig schwindelig und übel. Und zwar nicht nur, weil sie sich plötzlich mitten auf offener See befunden hatte. Sondern vor allem, weil sie jetzt wusste, was Eddie Beddoe hatte tun wollen, auch wenn es ihm nicht gelungen war.

Kapitel 40
    E s gab nur eine Möglichkeit, an die Stelle zu gelangen, wo Eddie Beddoes Boot untergegangen war. Das Problem dabei war, dass es nur zwei Menschen gab, die ihr helfen konnten, dorthin zu kommen: Chad Pederson und Ivar Thorndyke. Ein Wort zu Chad und Annie Taylor wüsste sofort, dass sie etwas vorhatten, und sie würde ganz genau wissen wollen, was. Also blieb nur Ivar übrig, der sich eventuell sogar einverstanden erklären würde, Jenn und sie zu Eddies Boot zu fahren, aber nur, wenn er ganz sicher sein konnte, dass die schwarze Robbe nicht in der Nähe war.
    »Kein Problem!«, sagte Jenn, als Becca ihr die Problematik schilderte. »Die Robbenbeobachter-Website verfolgt doch jede ihrer Bewegungen. Und wenn sie irgendwo in der Nähe des Bootes ist, wird das auf der Website erscheinen.«
    Die beste Idee schien zu sein, Ivar in ihre Pläne einzuweihen. Als Becca in seine Küche kam, war er gerade dabei, einen großen Topf von Thorndykes berühmtem Brennt-wie-Feuer-Chili zu kochen. Sie fing an, hinter ihm aufzuräumen und wartete auf die beste Gelegenheit, einen weiteren Tauchgang zum gesunkenen Boot anzusprechen.
    Sie bemühte das Bild vom Reiter, der gestürzt ist und danach schnell wieder aufs Pferd muss. Sie und Jenn hatten sich zwar tierisch erschreckt, aber trotzdem fand sie, es wäre eine gute Idee, noch mal einen Tauchgang zu Eddie Beddoes Boot zu versuchen. Und da sie beide jetzt den Tauchschein hatten, brauchten sie Chad Pederson nicht mehr dazu. Ob Ivar sie wohl ... an einem Tag, wo er sowieso zum Angeln rausfahren wollte ...? Den Rest ihrer Frage sprach sie nicht aus.
    Zuerst sagte Ivar kategorisch Nein. Die Robbe war die ganze Zeit in der Nähe. In der Nähe des Bootes, in der Nähe von Langley, in der Nähe von Sandy Point. An einem Tag war sie sogar bis nach Bell’s Beach gekommen, das noch ein ganzes Stück weiter die Saratoga-Passage entlang lag, und kein Mensch konnte wissen, wo sie als Nächstes auftauchen würde. Becca war froh, dass er in diese Richtung argumentierte, denn jetzt konnte sie die Website der Robbenbeobachter ins Spiel bringen.
    Sie unterhielten sich beim Abendessen weiter, nachdem Ivar sie eingeladen hatte, sein Brennt-wie-Feuer-Chili zu probieren. Es war ein schöner Abend, also nahmen sie ihre Teller mit nach draußen und setzten sich mit Sharla auf die Veranda, einen Krug Limonade, eine Schachtel Salzcracker und einen gemischten grünen Salat neben sich auf dem Tisch. Sharla war sehr ruhig, aber sie hörte zu. Als sie Eddie Beddoes Boot zum ersten Mal erwähnten, kam ihr Flüstern direkt durch die Luft geschossen.
    Wo es gesunken ist ...da hat er ... ich schwöre es, ich schwöre ...es ist alles aus, wenn er nicht... wenn er es tut, gehe ich ... wir beide ... verriet Becca, dass sich hinter Sharlas ruhigem Äußeren eine gequälte Seele verbarg. Aber sie sagte kein Wort, und Ivars Flüstern wollen was versuchen ... das weiß ich genau ... und wenn sie ans Ufer kommt... verdammt... war das blöde Weib bloß nie hergekommen … bestätigte Becca, dass Annie Taylor und ihre Absichten noch immer seine Gedanken bestimmten. Also bediente sich Becca dieses Wissens und erzählte Ivar ganz beiläufig, dass sie Annie Taylor und Chad Pederson zusammen in Possession Point am Kai hatte stehen sehen. Sie hatten etwas vor, und da Annie Fotos von Nera in der Nähe von Eddie Beddoes Boot gemacht hatte, ließ das nur einen Schluss zu. Wenn sie und Jenn noch einmal zu Eddies Boot hinuntertauchen würden, könnten sie vielleicht herausfinden, warum sich die Robbe immer dort aufhielt.
    Sharlas Flüstern klang inzwischen etwas verrückt. Nein, nein, nein ... aufhören ... das dürft ihr nicht...