Wetterleuchten
als fürchtete sie, Neptun höchstpersönlich könne aus der Tiefe aufsteigen und sie mit seinem Dreizack verfolgen; dann gab sie ihr ein Zeichen, dass sie mitkommen würde. Becca spürte, dass sie direkt hinter ihr war; so nah, dass ihre Flossen Jenns Gesicht streiften.
Der Kasten war aus Metall, das sich zum Teil zersetzt hatte und zum Teil von kleinen Krustentierchen überzogen war. Er lag schräg zu einer Seite geneigt im Sand, und er sah zwar schwer aus, war es aber nicht. In Wirklichkeit war er sogar enttäuschend leicht. Als Jenn und sie daran rüttelten, um ihn aus dem Sand zu ziehen, gelang ihnen das ziemlich problemlos, als hätte der Kasten nur darauf gewartet, dass sie kommen und ihn aus dem Wasser holen würden.
Auch das war einfach. Eine von ihnen konnte den Kasten ganz leicht unter dem Arm tragen. Eines war klar: Einen Piratenschatz hatten sie nicht geborgen.
Sie stiegen langsam nach oben, achteten dabei auf die Tiefe und ließen sich Zeit. Als sie an die Oberfläche getaucht waren, wurden sie dort von Ivar in Empfang genommen, der auf der Plattform am Heck neben dem Motor auf sie wartete. Becca legte den Kasten auf die Plattform, nahm Ivars Hand und ließ sich von ihm ins Boot ziehen. Jenn tat es ihr gleich, und kurz danach saßen sie alle zusammen auf dem Bootsdeck und inspizierten den Metallkasten.
Ivar nahm ihn hoch, schüttelte ihn und sagte: »Was habt ihr denn da?«
»Wissen wir auch noch nicht«, erklärte Becca ihm. Das Schloss war verkrustet, und selbst wenn sie den Schlüssel gehabt hätten, hätte der bestimmt nicht mehr funktioniert.
»Können wir den Kasten nicht einfach aufbrechen?«, fragte Jenn.
»Machen wir das auf der Farm«, warf Ivar ein. »Da habe ich die passenden Werkzeuge. Wenn ihr glaubt, dass sich das lohnt.«
»Und ob ich glaube, dass es sich lohnt«, erwiderte Becca.
Kapitel 41
A lles hätte von da an einfach sein müssen. Aber es kam anders. Sie fuhren zurück zum Jachthafen von Langley, und Ivar drosselte die Geschwindigkeit, sobald sie sich im Hafenbereich befanden. Jenn konnte Becca anmerken, dass sie es nicht erwarten konnte herauszufinden, was in dem Kasten war. Sie sah ihn immer wieder an und blickte dann zu Ivar hinüber. Offenbar versuchte sie, seine Gedanken zu lesen.
Als sie sich den Liegeplätzen näherten, hatten Jenn und Becca beide bereits ihre Ausrüstung und ihre Trockenanzüge abgelegt. Dann schaltete Ivar den Motor aus, Becca sprang aus dem Boot und kümmerte sich um die Taue. Jenn warf die Fender über die Seite, während Ivar die Ausrüstung der Mädchen einsammelte. Diese hatten sie in einer alten schweren Plastikschubkarre von seinem Pick-up zum Kai gebracht, und jetzt reichte Ivar Jenn das Equipment Stück für Stück, damit sie es dort wieder hineinlegte. Als sie damit fertig waren, gab Ivar Becca den Kasten, und sie klemmte ihn sich unter den Arm. Da trat Eddie Beddoe am angrenzenden Liegeplatz hinter einem Kajütboot hervor.
Er hielt sein Gewehr in der Hand. Alle erstarrten. Er sagte: »Den nehme ich dann mal an mich, junge Dame. Danke, dass du ihn für mich hochgebracht hast.«
Jenn schnappte sich den Kasten von Becca, drückte ihn fest an sich und erklärte: »Das ist Bergungsgut, und Sie kennen die Regeln.«
»Was du da in der Hand hältst, gehört mir. Und wenn du weißt, was gut für dich ist, rückst du es raus, bevor irgendjemand zu Schaden kommt.« Er hob das Gewehr.
Ivar sprang aus dem Boot und sagte: »Willst du etwa einen von uns erschießen, Eddie? Es reicht dir wohl nicht mehr, Leuten den Arm zu brechen, was?«
Aus irgendeinem Grund fragte Becca: »Er war es? Nicht die Robbe?«
»So sieht’s aus«, erwiderte Ivar. Und zu Eddie gewandt: »Nimm das verdammte Gewehr runter, bevor irgendjemand verletzt wird.«
»Sobald mir das kleine Fräulein den Kasten gibt«, beharrte Eddie und spazierte gelassen zum Liegeplatz hinüber, an dem Ivars Boot festgemacht war.
Jenn sah sich um. Es musste doch irgendjemand in der Nähe sein, der ihnen zur Hilfe kommen konnte. Aber der Jachthafen war menschenleer. Das Licht im Schiffsbedarfsladen war ebenfalls aus, und Chads Pick-up stand auch nicht mehr auf dem Parkplatz.
Eddie sagte zu ihr: »Es wird Zeit, dass du mir den Kasten gibst, Jenn. Tust du es nicht, wird noch etwas Schlimmes ...«
»Sie haben viel zu viel Angst, um auf irgendjemanden zu schießen«, unterbrach ihn Becca. Sie klang und wirkte so selbstsicher, dass Jenn überrascht die Augen aufriss. »Wovor haben Sie Angst?
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