Wetterleuchten
zurückkehrt.«
Jenn hörte sich das an und legte den Kopf schief, während sie Becca betrachtete. Sie saßen in Ivars Pick-up und fuhren von Glendale weg; Eddie Beddoe folgte ihnen in seinem Wagen. Ivar hatte ihm keine Wahl gelassen. Er konnte entweder mit ihnen mitkommen oder dem Sheriff erklären, woher er das Boot hatte ohne die nötigen Mittel, es zu bezahlen.
Auf diesen Vorschlag hatte Eddie zunächst spöttisch reagiert: »Glaubst du wirklich, den Sheriff interessiert’s, wie ich zu einem Boot gekommen bin, das seit fast zwanzig Jahren auf dem Meeresgrund liegt?«
Ivar hatte darauf erwidert: »Ich glaube, es wird ihn interessieren, sobald er mit Sharla geredet hat. Und das kannst du nur verhindern, indem du die Dinge bis zum Ende durchziehst.«
»Und an was für eine Art Ende hast du dabei gedacht?«
»Das Ende, vor dem du seit Jahren Angst hast.« Ivar hatte Eddie Beddoe lange und fest angesehen, als er das sagte, als würde er in einer geheimen Sprache mit ihm kommunizieren. Jenn hatte zu Becca hinübergeblickt, um zu sehen, ob sie das Gleiche dachte. Beccas Blicke schnellten ununterbrochen zwischen den beiden Männern hin und her.
Wie sich herausstellte, befand sich das Ende, von dem Ivar gesprochen hatte, in Possession Point. Als sie dort ankamen, war es später Nachmittag. Die Schatten des Waldes oberhalb der Landspitze waren tief, und die Bäume warfen lange dunkle Silhouetten über die Straße. Eine leichte Brise wehte durch das neue Frühlingslaub an den Erlen und Pappeln und kündigte stärkere Winde bei Einbruch der Nacht an.
Jenn hatte sich die ganze Zeit bemüht zu verstehen, was gerade vor sich ging. Becca schien plötzlich in Riesenschritten alles zu begreifen, unter anderem, dass Nera das Robbenfell wollte. Warum eine Robbe das Fell einer anderen Robbe haben wollte, war Jenn ein Rätsel. Dieser Gedanke ging ihr ununterbrochen durch den Kopf. Schließlich wandte sich Becca zu ihr um.
Sie sagte, als hätte sie Jenns Verwirrung gespürt: »Es geht um die Ölpest. Wann war die, Jenn? Zu welcher Jahreszeit? Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass es um dieselbe Zeit war, zu der Nera jedes Jahr hier auftaucht.«
Ivar sah Becca an. Er blickte von ihr zu Jenn. Sein Gesichtsausdruck verriet, dass Becca recht hatte.
»Sie muss alles vom Wasser aus gesehen haben«, murmelte Becca. »Sie muss es beobachtet haben.«
»Aber Eddie hat gesagt, dass er das Fell nicht gleich weggeworfen hat. Was hat sie also gemacht? Gewartet und ihm dabei zugesehen, wie er das Fell in den Kasten eingeschlossen hat? Warum? Das ergibt überhaupt keinen Sinn. Und ich verstehe auch nicht, warum du glaubst, dass da auch wirklich ein Baby war.«
»Ich glaube, wir sind kurz davor, alles herauszufinden«, erklärte ihr Becca.
Ivar sah sie an und legte die Stirn in Falten. Offenbar machte er sich Sorgen, wie die ganze Sache ausgehen würde.
Tatsächlich hatte er guten Grund dazu. Als sie den Weg, der zu ihrem Haus führte, hinunterfuhren, fielen Jenn sofort ein paar Dinge auf. Das Inseltaxi ihrer Mom war weg; die Familienkutsche war auch nicht da, was darauf hindeutete, dass ihr Dad mit den Jungs irgendwohin gefahren war; und Chad Pedersons Pick-up parkte neben Annie Taylors Honda. Sobald Ivar an den beiden Wagen vorbeigefahren war, sahen sie, dass Chad und Annie bei der Anlegestelle waren, wo die Boote andockten, um Köder zu kaufen.
Annie und Chad hatten auch Köder, und zwar zwei große Eimer voll. Sie warfen lebende Heringe ins Wasser. Und im Wasser bewegte sich der glatte schwarze Kopf von Nera. Sie schwamm hin und her, als könnte sie sich nicht entscheiden, ob sie ihnen genügend vertraute, um sich den Fisch zu holen. Als Chad oder Annie es schafften, ihr einen Hering nahe genug hinzuwerfen, schnappte sie ihn sich. Aber sie schien sich vor ihnen zu hüten, und das musste sie auch. Denn am Ende des Kais und nur ein paar Meter vom Wasser entfernt lag ein riesiges Fischernetz. Daneben stand ein Stuhl, den Annie aus dem Wohnwagen mitgebracht hatte. Darauf befanden sich - neben ihrem Laptop - alle möglichen Dinge, die Jenn nicht richtig ausmachen konnte. Aber sie nahm an, dass es sich dabei um Sachen handelte, die Annie brauchte, um der Robbe die nötigen Proben zu entnehmen, falls diese den Schrecken überleben würde, in einem Netz gefangen und ans Ufer gezerrt zu werden: Behälter, Reagenzgläser und Objektträger für das Blut, Papiertücher und was sonst noch alles.
Ivar stoppte seinen Pick-up mit einem Ruck,
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