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Wetterleuchten

Wetterleuchten

Titel: Wetterleuchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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ihr über die Schulter einen Blick zu. Er war vornübergebeugt, mit den Armen auf den Oberschenkeln. In diesem Augenblick sah er fast angewidert aus. »Also hatte er recht?«, fragte er.
    »Wer?«
    »Du weißt schon. Er hatte von Anfang an recht mit allem, was er gesagt hat. Du hast nur versucht, dir etwas zu beweisen, und zwar auf meine Kosten.«
    »Das ist nicht wahr!«, protestierte sie. Sie sprang auf und stellte sich vor ihn hin. »Wir beide sind Freunde, seit wir fünf Jahre alt waren. Denkst du denn, das bedeutet gar nichts?«
    »Du hast mich benutzt.«
    »Du mich etwa nicht? Wenn ich dich benutzt habe, dann gilt das für dich genauso, und das weißt du auch. Du wolltest es tun, aber ich nicht. Ich wollte ... Ich weiß auch nicht. Ich wollte ein paar Dinge über mich erfahren, und du warst da. Wir haben immer herumgealbert und über Sex und Liebe und Heirat und den ganzen Kram gesprochen, aber du wusstest genau, dass das nur im Scherz war. Und sag jetzt nicht, das stimmt nicht. Du hast das für dich genutzt, als eine Art Schlüssel. Um eine Tür aufzuschließen, und diese Tür war ich. Und als die Tür erst mal auf war, dachte ich, das wäre eine gute Gelegenheit ... in eine Art Spiegel zu schauen, und der Spiegel warst du.«
    Da sah er hoch. Er lehnte sich zurück und betrachtete sie. »Ich glaube, ich habe dich noch nie so viel am Stück reden hören.«
    »Ach ja? Dann gewöhn dich besser daran. Ich hab nämlich noch eine Menge mehr zu sagen.«
    Er prustete, und es klang wie ein schwaches Kichern. »Geschenkt«, sagte er.
    »Was soll das denn heißen? Ich hasse es, wenn Leute das sagen.«
    »Du sagst es doch selbst andauernd.«
    »Nicht mehr.« Sie wartete, eine Hand auf der Hüfte, und klopfte mit dem Fuß auf den Boden. »Was heißt jetzt >geschenkt    Er stand auf und seufzte. »Wie du willst«, antwortete er. »Wir sind Freunde seit dem Kindergarten. Und es wäre doch blöd, dir jetzt den Laufpass zu geben.«
    »Ja, aber was für Freunde. Das müssen wir erst mal klären«, verlangte sie.
    »Freunde, einfach nur Freunde«, stellte er klar.
    »Und das ist für dich in Ordnung?«
    Er dachte darüber nach. Dann sah er hinaus aufs Wasser und schließlich wieder zurück zu ihr. »Solange du dein T-Shirt anbehältst.«

Kapitel 48
    S ie hatten gemeinsam beschlossen, dass sie Neras Geheimnis für sich behalten wollten. Und was Cilla betraf... Sie war einfach eines Tages aus Annies Wohnwagen verschwunden. Es würde nicht schwer sein, eine glaubwürdige Geschichte aufrechtzuerhalten, dachten sie sich. Es gab keinen Hinweis darauf, dass Cilla etwas Schlimmes zugestoßen war. Und nichts belegte Neras wundersame Verwandlung. Außerdem würde sowieso niemand glauben, dass es Selkies wirklich gab. Zwar war Whidbey Island ein Ort für Künstler und Musiker, voller Magie und Geheimnis. Doch diese Geschichte verlangte mehr Glauben ans Absonderliche, als die meisten Menschen aufbringen konnten.
    Becca jedoch war anderer Meinung. Auf Whidbey Island gab es einen Menschen, der ganz genau verstehen würde, was geschehen war.
    Ein paar Tage nach dem Begrüßungsfest für Nera saß sie mit Diana Kinsale auf deren Veranda mit Blick auf Sandy Point und erzählte ihr die Geschichte. Sie erzählte ihr alle Umstände, die damit in Verbindung standen, und beendete ihre Erzählung mit dem, was sie an jenem Abend in Possession Point gesehen hatte.
    Diana schien kaum überrascht. Aber sie war auch eine Frau, die schon vor langer Zeit gelernt hatte, das Unbegreifliche anzunehmen. Sie senkte bloß die Hand, um Oscars Kopf zu streicheln, während die anderen Hunde auf dem Hang herumsprangen und alles beschnüffelten. »Eine Selkie«, sagte sie nachdenklich. »Ich hatte mich schon gefragt, warum Ivar so sehr darauf bedacht war, uns alle von der Robbe fernzuhalten.«
    »Er wollte nicht, dass irgendjemand es erfuhr. Wenn sich jemand zu nahe herangewagt hätte, wäre sie vielleicht an Land gekommen und hätte vor ihm ihr Fell abgeworfen. Und wer weiß, was dann passiert wäre?«
    »Das hätte einen Aufstand gegeben.« Diana lachte leise. »Meine Güte, die Stadtväter von Langley wären ... wie heißt der Ausdruck?«
    »Ausgeflippt«, half Becca aus. »CNN, MSNBC, CBS, Fox, alle wären sie gekommen.« Eine Weile schwiegen sie und dachten darüber nach, was mit Nera geschehen wäre, wenn irgendjemand erfahren hätte, was sie imstande war zu tun, sobald ihr Körper den Sand berührte. Es hätte jedenfalls mehr als ein

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