Wetterleuchten
Begrüßungsfest gegeben, das stand fest. Alle Welt wäre auf das Dorf aufmerksam geworden, doch das hätte letztendlich zu einer Katastrophe geführt.
»Ivar Thorndyke ist ein guter Mensch«, warf Diana ein. »Es erfordert viel Mut, den Spott der anderen auf sich zu nehmen, nur um etwas zu schützen, das man den anderen nicht erklären könnte, selbst wenn man es wollte.«
»Sie hätten gesagt, er wäre verrückt. Und wahrscheinlich glauben die meisten das sowieso schon.«
»Sind wir nicht alle ein bisschen verrückt?«, bemerkte Diana seufzend. Sie hatte die ganze Zeit auf das Wasser gestarrt; jetzt wandte sie sich wieder Becca zu. »Und was noch?«, fragte sie.
Becca wurde rot. »Derric und ich.«
Diana lächelte. »Ah. Habt ihr eure Probleme endlich beilegen können? Sehr gut. Zwischen dir und Derric, da ist was ganz Besonderes.«
»Er war ... Er war sauer wegen Seth.« Becca erzählte die ganze Geschichte und Diana hörte nachdenklich zu. Zum Schluss sagte Becca noch: »Es wäre so schön, eine Bleibe zu haben, Mrs Kinsale. Ich meine ... eine echte Bleibe. So wie hier.«
»Hast du Probleme mit Debbie?«
Beccas Mund zuckte. Die ganzen Lügen, monatelang. Und wenn sie Diana nicht endlich die Wahrheit sagte, würden sie nie einen Schritt weiterkommen. Sie musste es also riskieren und gestand: »Ich war gar nicht mehr dort. Im Cliff Motel, meine ich.«
Dianas Gesicht war reglos. »Wo hast du denn dann gewohnt?«
Und Becca ließ einfach alles raus, die ganze Geschichte: über das Baumhaus, den Wald, Ralph Darrows Grundstück und ihre Flucht aus Langley im vorangegangenen November.
»In einem Baumhaus?«, fragte Diana ungläubig. »Den ganzen Winter über? Aber Debbie hat davon nichts gewusst, oder?«
Becca verzog das Gesicht, fuhr aber fort: »Sie dachte, ich wäre hier bei Ihnen.«
Diana sah alles andere als erfreut aus. »Das war nicht gut, Becca. Das war gar nicht gut. Dass du mich angelogen hast. Und Debbie. Dass du in einem Baumhaus gewohnt hast. Ist das auf Seths Mist gewachsen?«
»Er kann nichts dafür. Aber ich musste unbedingt aus Langley weg. Letzten November ist nämlich etwas passiert ...« Sie war an dem kritischen Punkt angekommen, bei Jeff Corrie. Hier musste sie immer überlegen, was sie den Leuten erzählte, ohne zu viel zu verraten. Sie durfte ihr nicht alles sagen. Auch wenn ihr das Seelenqualen bereitete, die an ihr nagten.
Diana legte Becca die Hand auf die Schulter. Und wieder spürte sie die Wärme und das erhebende Gefühl, das mit Dianas Berührung einherging. Becca sagte: »Wenn ich nur bei Ihnen wohnen könnte ...«
Danach sah Diana Becca so lange an, dass Becca ihren Blick abwenden musste. Diana sagte bloß ihren Namen, bis Becca wieder zu ihr hinsah. »Es ist noch zu früh«, erklärte Diana ihr. »Irgendwann wird es so weit sein. Dann wirst du hier bei mir wohnen. Aber jetzt noch nicht.«
»Das sagen Sie immer wieder.«
»Weil es die Wahrheit ist. Wenn du bei mir wohnst, verpasst du die Lektionen, die das Leben für dich bereithält. Und das will ich nicht.«
»Und was soll ich dann machen? Ich kann doch nicht ewig im Baumhaus bleiben. Wo soll ich denn hin?«
»Das wird sich im rechten Moment zeigen. Ich glaube, das wusstest du von Anfang an. Aber deine Ungeduld steht dir im Weg.«
»Sie sagen, ich werde immer sicher auf der Insel sein, aber ich fühle mich nicht sicher«, klagte Becca. »Sie sagen, die Zeit der Gefahr ist vorbei, aber so fühlt es sich nicht an.«
Diana griff nach ihrer Hand. Becca hielt die Stuhllehne krampfhaft umfasst, und Diana legte ihre Hand auf Beccas Faust. Sie ließ sie dort liegen, während sie sprach: »Dein Platz ist hier auf der Insel, und das war er von Anfang an. Nichts und niemand wird in der Lage sein, dich von hier wegzuholen.«
»Woher wissen Sie das?«, fragte Becca.
»Das sehe ich.«
»Und wie können Sie das sehen?«
»Ich bin geduldig.«
Doch das war Becca nicht. Wie konnte sie auch, da so viel in ihrem Leben auf dem Spiel stand? Sie brauchte eine Absicherung, die über die freundlichen Worte einer Frau hinausging, deren Berührung ihre Ängste beseitigte und ihrem Geist Ruhe schenkte. Von Diana ging sie zur Bibliothek von Langley. Dort setzte sie sich an einen Computer und tippte Jeff Corries Namen in die Suchmaschine.
Wie schon zuvor lieferte das Internet mehrere Treffer. Der erste war eine Seite über Jeffs Investmentfirma, ein altes Interview mit ihm und seinem Partner Connor und was sie angeblich taten, um die
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