Wetterleuchten
Gleiche auf seinen übrigen Waldwegen machen. Deshalb musste sie von jetzt an besonders vorsichtig sein.
Als sie zu der Lichtung mit den beiden ineinander verzweigten Hemlocktannen und dem Baumhaus dazwischen kam, hielt sie kurz inne, wie jedes Mal. Sie lauschte, konnte aber außer dem üblichen Vogelgesang und dem verärgerten Geschnatter der Eichhörnchen, die einander von ihrer Ankunft unterrichteten, nichts hören. Dann ging sie rasch zur Leiter und kletterte schnell die Sprossen bis zur Falltür hoch. Es war ein schönes Gefühl, zu Hause zu sein, obwohl es schon merkwürdig war, diesen Unterschlupf als »zu Hause« zu bezeichnen.
Sie machte die Tür auf und war überrascht, Seth im Innern zu sehen. Er saß auf einem Campinghocker neben dem Ofen und tat gar nichts, was für ihn völlig ungewöhnlich war. Sonst spielte er Gitarre oder kämpfte sich durch seinen halbzerfetzten Siddartha oder machte den Ofen an. Jedenfalls mehr, als nur dazusitzen.
Sie rief: »Hallo! Ich habe deinen Wagen gar nicht auf der Straße gesehen. Warst du vorher bei deinem Großvater?«
Seth hatte keine Gelegenheit zu antworten, denn eine raue Stimme sprach: »Genau das war er. Komm rein zu uns.«
Becca musste schlucken. Sie trat hinein und schloss die Tür. Da sah sie, dass Ralph Darrow auf ihrer Campingpritsche saß. Er trug eine Wildlederjacke und einen breitkrempigen Hut und sah damit ein bisschen so aus wie Wild Bill Hickock, denn sein rötlich-graues Haar war lang und wallend, und sein Bart hatte ebenfalls eine eindrucksvolle Länge. Becca sah von ihm zu Seth und wieder zurück. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte.
Das brauchte sie auch nicht, denn Ralph ergriff erneut das Wort: »Du musst die >Nachhilfelehrerin< meines Enkels sein. Die mit dem eifersüchtigen Freund und dem Mathematikabschluss.«
Becca sagte noch immer nichts. Sie versuchte, sein Flüstern zu hören, was ihr auch bald darauf gelang. Wann wird er endlich ... steckt tief in der Klemme also könnte sie ruhig ... alt sie wohl ist... hat keine Ahnung was für einen Ärger. .. lieferte ihr aber wenig Hinweise darauf, wie sie am besten antworten sollte. Sie entschied sich für einen Teil der Wahrheit und hoffte auf das Beste.
»Wir haben uns wieder vertragen, Derric und ich«, sagte sie eifrig. »Derric ist mein Freund. Er hat nämlich nicht verstanden, warum ich ihm Sachen verschwiegen habe. Nicht über Seth, sondern andere Sachen. Und er hat sich darüber aufgeregt, dass ich Seth Nachhilfeunterricht gebe, und dann hab ich mich aufgeregt, und so hat es sich hochgeschaukelt.« Sie sah Seth an, doch sein Gesicht war ihr keine große Hilfe.
»Ich nehme an, da ist was Wahres dran«, sagte Ralph Darrow. »Aber wenn mich nicht alles täuscht«, und damit sah er sich in dem einzelnen Raum des Baumhauses um, »erfordert die Erklärung mathematischer Formeln nicht unbedingt einen Schlafsack, einen Gaskocher, eine Laterne, Taschenlampen und einen Haufen Lebensmittel. Wobei alles vorher Genannte - bis auf die Lebensmittel - mir gehört.«
Sie erwiderte - voreilig und dumm, wie ihr später klar wurde: »Es wird im Winter früh dunkel. Deshalb brauchten wir die Laterne ...«
»Beck«, meldete sich endlich Seth zu Wort. »Er weiß Bescheid. Er ist hergekommen, so wie immer, wenn das Wetter besser wird. Um nachzusehen, ob alles in Ordnung ist.«
»Grundstückspflege«, erklärte Ralph Darrow. »Das gehört zur Verantwortung eines Grundbesitzers. Und diesen Ort hier betrachte ich als mein Eigentum. Als was bezeichnest du es?«
Sie schluckte erneut. »Ich weiß, dass es Ihnen gehört.«
Er wandte sich an Seth: »Und du, Lieblingsenkel?«
»Ja«, sagte Seth. »Ich weiß auch, dass es dir gehört.«
»Was glaubst du? Auf wie viele verschiedene Arten hast du mich belogen, Seth?«
»Grandpa ...«
Warum begreift er das nicht... und jetzt glaubt er... sag mir einfach die Wahrheit und wenn ich ... Gesetz ist Gesetz ...
»Schluss mit >Grandpa<. Wie hast du mich belogen? Du hast gelogen, indem du es mir verheimlicht hast. Du hast gelogen, um deinen Nutzen daraus zu ziehen. Und du hast mir ganz frech die Unwahrheit ins Gesicht gesagt. Und die hast du seit Monaten geschickt in unsere Unterhaltungen und Treffen eingeflochten. Jedes Mal, wenn du auf mein Grundstück gekommen bist, und nicht erwähnt hast, dass du ein Mädchen hier versteckt hältst. Wie alt bist du?«, fragte er Becca.
»Fünfzehn.«
»Grundgütiger Gott, Seth. Wirklich, ich habe dich für klüger gehalten.«
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