Wetterleuchten
um.
Jenn kam der ganze Wohnwagen wie ein einziges großes Gesundheitsrisiko vor. Neben dem Stuhl, auf dem Annie saß, bestand die Einrichtung aus einem weiteren Stuhl, einer aufgerissenen Sitzbank, einem schiefen Tisch und einer verschimmelten Couch direkt unter einem völlig undichten Fenster, dessen Sims über und über mit etwas bedeckt war, das verdächtig nach Moos aussah. Dieser Wohnwagen war in mehr als einer Hinsicht lebensgefährlich. Jenn fragte sich, wie lange Annie vorhatte zu bleiben.
Sie kratzte sich am Kopf, seufzte und fragte: »Soll ich den Ofen für Sie zum Laufen bringen?«
»Oh, würdest du das tun?«, erwiderte Annie und war sofort besser gelaunt. »Dafür würde ich dir die Füße küssen. Aber ... ich hab gesehen, wie du dich gedehnt hast. Wolltest du gerade laufen gehen oder sowas? Ich möchte nicht, dass du ...«
»Keine Sorge. Das ist im Handumdrehen erledigt.«
Jenn ging nach draußen und schnappte sich einen der Ködereimer, die sie für ihren Hindernisparcours benutzt hatte. Den stellte sie vor den Holzofen und fing an, die Asche hineinzuschaufeln. Annie war wohl davon ausgegangen, dass das Kamingeschirr neben dem Ofen rein zu Dekorationszwecken dort stand. Die dicke Staubschicht darauf ließ vermuten, dass es seit Jahren niemand angefasst hatte.
Während sie Asche schaufelte, sagte sie: »So lange ich hier lebe, hat da keiner mehr gewohnt. Sind Sie sicher, dass Sie hierbleiben wollen? Wenn Sie mich fragen, holen Sie sich nur ’ne schlimme Krankheit.«
»Hier muss noch Einiges gemacht werden, das steht fest«, stimmte Annie ihr zu. »Ich hatte irgendwie gehofft, dass ich das mit heißem Wasser, Ammoniak, Natron, Bleichmittel und Essig in den Griff kriege.«
»Wahrscheinlich jagen Sie den Wohnwagen dadurch eher in die Luft«, meinte Jenn.
»Was vielleicht gar keine so schlechte Idee wäre«, fügte Annie hinzu.
Sie lachten beide. Annie hatte ein nettes Lachen. Sie hatte gerade weiße Zähne und ein hübsches Gesicht. Jenn mochte sie und überlegte, wie alt sie wohl war. Mit Sicherheit um einiges älter als sie, aber vielleicht könnten sie trotzdem Freundinnen werden, dachte Jenn. Freunde waren auf diesem Teil der Insel nicht leicht zu finden.
Hinter ein paar Holzscheiten entdeckte sie Zeitungspapier, zog es heraus und zeigte Annie, wie man ein richtiges Feuer machte: zuerst zerknülltes Zeitungspapier, dann eine ordentliche Menge trockenes Anmachholz und zuletzt die Scheite obenauf. Sie warf Annie einen Blick zu, um zu sehen, ob sie aufpasste, und Annie lächelte sie an. Jenn musste aber auch zugeben, dass eine Frau mit einem Autokennzeichen aus Florida vermutlich nicht oft Feuer machte.
Sie stand auf und klopfte sich die Hände ab. Als Annie ihr die Streichhölzer hinhielt, sagte sie: »Ich muss mich erst um den Schornstein kümmern.« Dann ging sie nach draußen, kletterte auf das Dach des Wohnwagens, bahnte sich einen Weg durch den ganzen Abfall, den sie und ihre Brüder jahrelang hier hinaufgeworfen hatten, und fand ihn genau so vor, wie sie vermutet hatte: mit einem großen Vogelnest oben drauf. Sie entfernte es und rief dann den Schornstein hinunter: »Probieren Sie’s jetzt mal, Annie.« Ein paar Augenblicke später schoss zu ihrer großen Zufriedenheit eine Rauchwolke in die Luft.
Als sie den Wohnwagen wieder betrat, kniete Annie vor dem Holzofen und wärmte sich die Hände, als bete sie zum Gott des Feuers. Jenn warf noch mehr Anmachholz ins Feuer und erklärte, wie man dafür sorgte, dass der Ofen im Laufe der Nacht nicht ausging. Annie nickte fast unmerklich und verlagerte ihr Gewicht auf die Fersen. Sie legte den Kopf schief und sagte zu Jenn: »Sag mal... Brauchst du vielleicht einen Job?«
Jenn brauchte immer einen Job. Genau wie potenzielle Freunde waren Jobs auf der Insel nicht leicht zu finden. »Was für einen Job? Feuer anzünden?«
»Ha. Das auch.« Sie ließ vage die Hand durch den Wohnwagen schweifen. »Machen wir uns nichts vor, Jenn. Hier muss noch viel Arbeit reingesteckt werden. Um ein paar Sachen kann ich mich selbst kümmern, aber nicht um alles. Ich habe nämlich noch was anderes zu tun. Hast du Lust, mit anzupacken? Natürlich würde ich dich dafür bezahlen.«
Das mit der Bezahlung klang gut. Dass sie sich in der Nähe des Wohnwagens aufhalten musste, weniger. »Ich weiß nicht«, sagte Jenn. »Vielleicht. Ich meine, das ist die reinste Bruchbude, und eine Menge Zeit damit zu verbringen, sie wieder auf Vordermann zu bringen ... ? Nichts
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